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Sonnensturm

Sonnensturm

Titel: Sonnensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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angesichts der misslichen Lage von Ein-Auge kreischte und
keckerte.
    Nach den Maßstäben einer Schimpansenrotte war dies
eine schwerwiegende politische Krise. Ein-Auge wusste, dass
Wuschel diszipliniert werden musste.
    Aber nicht heute. Ein-Auge war auch nicht mehr der
Jüngste und war nach einem ruhelosen Schlaf steif und hatte
Schmerzen. Und außerdem war heute wieder ein heißer,
schwüler Tag, ein neuer Tag der eigenartigen Düsternis,
die sich über den Wald gelegt hatte – es war ein Tag,
an dem man am besten gar nichts tat, außer faul
herumzuliegen und sich zu lausen. Er hatte es im Urin, dass er es
heute nicht mit Wuschel aufzunehmen vermochte. Dann vielleicht
morgen.
    Ein-Auge entfernte sich von der Truppe und schickte sich
übellaunig an, einen der höchsten Bäume zu
erklimmen. Er ging zu Bett.
    In seinem Bewusstsein hatte er natürlich keinen Namen
für sich; genauso wenig, wie er Namen für die anderen
der Rotte hatte – obwohl er als ein höchst soziales
Tier jeden von ihnen fast genauso gut kannte wie sich selbst.
›Ein-Auge‹ war der Name, den die Wildhüter ihm
gegeben hatten, die über die Rotte und die anderen Bewohner
dieses Rests des kongolesischen Urwalds wachten.
    Mit achtundzwanzig war Ein-Auge alt genug, um die große
philosophische Wandlung miterlebt zu haben, die über die
Menschheit hereingebrochen war und die zu seiner
Neuklassifikation als Homo geführt hatte, einem
Verwandten der Menschen. Nun war er nicht mehr Pan, ein
›bloßes‹ Tier. Diese Statusänderung
schützte ihn vor Wilderern und Jägern, die ihm ein Auge
ausgeschossen hatten, als er noch jünger gewesen war als
Wuschel jetzt.
    Und sie gewährleistete auch jetzt den Schutz durch seine
Verwandten; an diesem schlimmsten Tag in der langen Geschichte
der Menschheit – und der Menschenaffen.
    Er erreichte die Baumkrone. Im unordentlichen Nest aus
Ästen roch er noch immer Spuren seiner eigenen Fäkalien
und des Urins vom letzten Schlaf. Er fummelte an den Ästen
herum und zupfte sich lose Fellbüschel aus.
    Natürlich hatte Ein-Auge keine Vorstellung von der
Revolution im menschlichen Denken, die so entscheidend für
sein eigenes Überleben gewesen war. Dafür war er sich
anderer Veränderungen bewusst. Zum Beispiel des aus dem Takt
geratenen Rhythmus von Tag und Nacht. Über seinem Kopf war
keine Sonne, kein Himmel sichtbar. Fremdartige unbewegliche
Lichter beleuchteten den Wald, doch im Vergleich zur tropischen
Sonne vermochten sie ihn nur in Zwielicht zu tauchen –
weshalb Ein-Auges Körper auch nicht genau wusste, ob es
wieder Schlafenszeit für ihn war; selbst wenn er erst vor
ein paar Stunden aufgewacht war.
    Er legte sich in sein Bett und zappelte mit den langen
Gliedern, um eine bequeme Schlafposition zu finden. Er hegte eine
tiefe Abneigung gegen all diese unwillkommenen
Veränderungen; eine Verwirrung, für die viele alternde
Menschen Verständnis gehabt hätten. Und ein Bild dieses
verdammten Wuschel erschien vor seinem geistigen Auge. Seine
großen Hände ballten sich zu Fäusten,
während er darüber nachdachte, wie er den jüngeren
Rivalen zur Räson bringen würde.
    Die wirren Gedanken lösten sich in einem unruhigen Schlaf
auf.
    Hitze und Licht strahlten von der hohen Mittagssonne und einem
Sturmsystem aus, das einen ganzen Kontinent peitschte. Die
versilberte Wand der Kuppel wellte sich und hallte wie von
Donnerschlägen wider. Aber sie hielt stand.

 
    11:57 (Londoner Zeit)
     
    Bis auf die Unterwäsche ausgezogen lagen Bisesa und ihre
Tochter nebeneinander auf dünnen Campingmatten in einem
Wohnzimmer, das nur durch eine einzige Kerze erhellt wurde.
    Es war heiß; heißer, als Bisesa es nach dem
Aufenthalt im nordwestlichen Pakistan und in Afghanistan
überhaupt noch für möglich gehalten hätte.
Die Luft glich einer dicken, feuchten Decke. Sie spürte, wie
sich Schweiß auf dem Bauch sammelte und die Matte unter ihr
sich damit voll sog. Sie war zu keiner Regung imstande und
vermochte nicht einmal mehr zu schauen, ob Myra in Ordnung oder
überhaupt noch am Leben war.
    Sie hatte Aristoteles’ Stimme seit Stunden nicht mehr
gehört, was ihr sehr bedenklich erschien. Im Zimmer war es
bis auf ihr Atmen und das Ticken einer Uhr still. Es war eine
große alte Standuhr, ein ungeliebtes Erbe von Bisesas
Großmutter, aber sie funktionierte noch – ihre
rustikalen mechanischen Innereien waren immun gegen den EMP,
während Softscreens,

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