Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sonnensturm

Sonnensturm

Titel: Sonnensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
vorzustellen, während diese Bilder
um die Welt gingen.
    Zumal nicht nur Menschen und ihre technischen Systeme
betroffen waren. Hier wurde ›en passant‹
mitgeteilt, dass Vogelschwärme anscheinend die Orientierung
verloren, und dann erschien ein schreckliches Bild von Walen, die
an der Küste Nordamerikas gestrandet waren.
    Toby Pitt brachte ihr ein Telefon, ein klobiges Gerät,
das eine Schnur nachschleppte. »Tut mir Leid, dass es so
lang gedauert hat«, sagte er.
    Das Telefon muss mindestens dreißig Jahre alt sein, doch
nachdem es an die zuverlässige Glasfaser-Reserveleitung
angeschlossen worden war, funktionierte es mehr oder weniger.
Erst nach ein paar Versuchen gelang es ihr, zu Guy’s
durchzukommen und dann die Telefonistin zu überreden, ihre
Mutter ausfindig zu machen.
    Maria klang verängstigt, hatte sich aber in der
Gewalt.
    »Es geht mir gut«, sagte sie nachdrücklich.
»Der Strom fällt zwar immer wieder aus, aber das
Notstromsystem funktioniert ganz gut. Aber es gehen hier seltsame
Dinge vor.«
    Siobhan nickte. »Die Krankenhäuser müssen
total überlastet sein. Hitzschlagopfer – die
Verkehrsunfälle…«
    »Nicht nur das«, sagte Maria. »Leute kommen
zu uns, weil Herzschrittmacher, Servo-Muskeln und
Inkontinenzkontroll-Implantate versagen. Und es scheint eine
ganze Flut von Herzanfallopfern zu geben. Es kommen sogar
Leute, die gar keine Implantate haben.«
    Natürlich, sagte Siobhan sich. Der menschliche
Körper ist selbst ein komplexes, bioelektrisch geregeltes
System und reagiert somit auf elektrische und magnetische Felder.
Wir sind alle mit der Sonne verbunden, sagte sie sich – wie
Fauna und Flora durch unsichtbare Kraftlinien mit der Sonne
verbunden sind, von deren Existenz man sich noch vor ein paar
hundert Jahren nichts hätte träumen lassen. Und wir
sind so verwundbar gegenüber den Ausbrüchen der Sonne,
bis in die letzte Faser unseres Seins.
    »Siobhan, es tut mir Leid, Sie zu unterbrechen«,
sagte Toby Pitt. »Sie haben einen neuen Anruf.«
    »Wer ist es?«
    »Der Premierminister.«
    »Lieber Gott… welche Leitung?«
    Das Telefon entwickelte in ihrer Hand ein Eigenleben. Als der
Stromschlag sie durchfuhr, wurden die Muskeln des rechten Arms
steif. Das Telefon entglitt ihrem Griff und schlitterte, blaue
Funken sprühend, über den Tisch.



 
{ 8 }
ERHOLUNG
     
     
    Jemand hämmerte gegen die Tür des Apartments. Bisesa
hatte gelernt, ihre Reaktionen vor Myra zu verbergen. Sie setzte
ein Lächeln auf, ignorierte das Herzrasen, stand langsam von
der Couch auf und faltete die Zeitschrift zusammen.
    Myra drehte argwöhnisch den Kopf. Sie lag auf dem Bauch
und schaute sich auf einer Softwall eine Synth-Soap an. Diese
achtjährigen Augen schauten wissend – allzu wissend,
fand Bisesa. Myra wusste, dass vor ein paar Tagen etwas Seltsames
mit der Welt geschehen war, doch am meisten irritierte sie die
Anwesenheit ihrer Mutter. Aber es gab eine Art stillschweigende
Übereinkunft zwischen den beiden, wie ein
›Komplott‹. Wenn sie sich ganz normal verhielten,
dann würden die Dinge sich an irgendeinem Punkt vielleicht
auch wieder normalisieren: Diese stumme Hoffnung hegten sie
zumindest.
    Bisesa hätte Aristoteles mit einem geflüsterten
Befehl anzuweisen vermocht, einen Abschnitt der Tür
transparent zu machen. Doch als britische Armeeoffizierin, die an
militärischem Gerät ausgebildet war, hegte sie ein
gewisses Misstrauen gegenüber ›elektronischen
Sinnen‹ und spähte durch den altmodischen
Türspion, um auf Nummer Sicher zu gehen.
    Es war Linda. Bisesa öffnete die Tür.
    Linda war eine kleine, stämmige und aufgeweckte junge
Frau. Sie war zweiundzwanzig, eine Cousine von Bisesa und
studierte Biosphärenethik am Imperial College. In den
letzten zwei Jahren hatte sie während Bisesas langer
Auslandseinsätze als Myras Kindermädchen fungiert. Nun
hielt sie in jeder Hand eine ausgebeulte Papiertüte mit
Lebensmitteln, und zwei weitere standen zu ihren
Füßen. Sie schwitzte wie ein Ferkel.
»Entschuldige die Tritte gegen die Tür«, sagte
sie. »Ich befürchtete schon, dass diese verdammten
Tüten reißen würden.«
    »Du hast es ja noch geschafft.« Bisesa ließ
Linda herein und schloss die Tür gleich zweimal ab.
    Sie schleppten die Einkaufstüten in die kleine Küche
des Apartments. Linda hatte hauptsächlich
Grundnahrungsmittel eingekauft: Brot, Quorn-Produkte – ein
Fleischersatz –, etwas welkes Gemüse

Weitere Kostenlose Bücher