Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sonnensturm

Sonnensturm

Titel: Sonnensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
würden…
    Ein solcher Wahnsinn fand die Aufmerksamkeit der Medien, war
aber zum Glück noch die Ausnahme. Und während diese
letzten Tage viel Dummheit und Käuflichkeit sahen, wurde
aber auch Würde bewahrt. Die Menschen waren doch eher
bemüht, das zu retten, was ihnen etwas bedeutete, anstatt in
einer finalen Raserei alles kurz und klein zu schlagen. Projekte
wie die Londoner Kuppel vermochten sich vor Freiwilligen kaum zu
retten. Viele Menschen suchten – wie vorherzusehen war
-Trost in der Religion, doch nur wenige wurden zu Fanatikern der
Art, die Miriam Grec getötet hatten. Die meisten beteten
still zu ihren Göttern: in der schlichten Schönheit von
Kathedralen, Moscheen und Tempeln oder auch nur in der Tiefe
ihrer Herzen.
    Zugleich war die romantische Bitterkeit des Endes der Welt
eine Inspiration für die Künste; überall auf der
Welt wurden mit herzzerreißender Intensität neue Werke
der Literatur, Malerei, Bildhauerei und Musik geschaffen. Es war
eine Zeit der Elegie.
    Aber es hatte auch den Anschein, dass viele Menschen auf die
düsteren Zukunftsaussichten mit einem Rückzug ins
Private reagierten. Die Bevölkerung nahm weltweit ab. Die
Selbstmordrate schoss in die Höhe, aber noch trauriger war
die Nachricht, dass die Geburtenziffern abstürzten. Dies war
nicht die Zeit, ein Kind in die Welt zu setzen: Manche
Religionsführer behaupteten sogar, dass es eine Sünde
sei, jetzt noch Kinder zu zeugen, denn ein Kind, das nicht
existierte, konnte auch nicht leiden.
    Aber die rückläufigen Bevölkerungszahlen
würden sich bis zum Sonnensturmtag kaum auswirken. Es hing
alles vom Schild ab, wie schon die ganze Zeit.
    Im September 2041 – nur noch sieben Monate bis
›Ultimo‹ – hinkte der Schild genauso stark
hinterm Zeitplan her wie eh und je, machte aber wenigstens
überhaupt Fortschritte. Siobhan sollte den Politikern in der
eurasischen Regierung den Fortschritt durch endlose Fakten,
Zahlen und Diagramme dokumentieren und mit
Kritischer-Weg-Grafiken Engpässe und Hindernisse aufzeigen
– und ein paar ›sexy‹ Fotos der taumelnden,
erdgroßen Struktur, die im Orbit heranwuchs.
    Aber nichts von dem, was sie sagte, war von Bedeutung, denn es
gab nichts mehr, was die Politiker jetzt noch zu tun vermochten.
Miriam Grec hatte es von Anfang an richtig gemacht. Ihr
frühes Eingreifen hatte dem Projekt die globale politische
Dynamik verliehen, die es als ›Initialzündung‹
brauchte. Nachdem Miriam dann dafür hatte büßen
müssen, war ihr hastig als Nachfolger im Amt installierter
Stellvertreter in der Wahl im Oktober 2040 von seinen Gegnern,
die scheinbar die ›Antischild-Karte‹ gezogen
hatten, in den Ruhestand geschickt worden. Wie Miriam aber schon
vorausgesehen hatte, war es für einen Regierungschef –
wenn er erst einmal im Amt war – politisch geradezu ein
Ding der Unmöglichkeit, das Schild-Projekt einzustellen.
Diese Logik hatte in den Vereinigten Staaten genauso wie in
Eurasien gegolten.
    Der Glanz des neuen Premierministers hatte jedoch nicht mehr
auf Siobhan ausgestrahlt. Sie war zwar noch immer ein
Schlüsselglied der Kommunikationsketten und Dienstwege, die
vom Boden in den Orbit führten. Aber sie gehörte nicht
mehr zu den Favoriten. Das kam Siobhan nur zupass. Sie war
nämlich vollauf mit ihrer Arbeit beschäftigt und hatte
gar keine Zeit für politische Schleimereien. Und
überhaupt – je weniger sie von den Politikern sah,
desto geringer war die Gefahr, in den Politzirkus verwickelt zu
werden.
     
    Hinter St. Albans geriet sie in weitere Straßensperren.
Und auf ein paar innerstädtischen Schleichwegen erreichte
Siobhan schließlich die letzte Barriere. Es war das Camden
Gate, einer von zehn großen Eingängen, die am Umfang
der Kuppel eingelassen worden waren.
    In der Schlange spähte sie neugierig nach vorn; aus
dieser Richtung hatte sie die Kuppel nämlich noch nicht
betreten. Das signalorangefarbene, mit Suchscheinwerfern und
bewaffneten Beobachtungsposten gesicherte Tor erhob sich wie eine
römische Ruine über die normierten Häuser und
Einkaufspassagen. Und die glatte Haut der Londoner Kuppel
wölbte sich ins ausgewaschene Blau des Himmels.
    Die Kuppel war natürlich noch unvollständig; die
letzten Lücken würden erst in den allerletzten Stunden
geschlossen werden, damit die Stadt nicht allzu lang ohne
Tageslicht war. Doch auch jetzt wirkte das riesige Gerüst
schon beklemmend. Siobhan vermochte

Weitere Kostenlose Bücher