Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sonnentaucher

Sonnentaucher

Titel: Sonnentaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
Vom Netzwerk:
Hinsicht vom Mond unterschied.
    Der Planet sah aus, als könne man hier Gespenster finden – ein wahres Fegefeuer.
    Jacob erinnerte sich an eine Strophe aus einem uralten japanischen Gedicht aus der Prä-Haiku-Periode, das er erst einen Monat zuvor gelesen hatte:

    Traurige Gedanken drängen
    mehr und mehr in meinen Kopf,
    wenn’s Abend wird, denn dann
    erscheint mir geisterhaft dein Bild
    und spricht, wie mir dein Wort im Ohr noch klingt.

    »Haben Sie etwas gesagt?«
    Jacob schrak aus einer leichten Trance auf. Dwayne Kepler stand neben ihm.
    »Nein, nichts Besonderes. Hier ist Ihre Jacke.« Er reichte Kepler das zusammengefaltete Kleidungsstück, der es lächelnd entgegennahm.
    »Tut mir leid, aber die Biologie schlägt zu den unromantischsten Zeiten zu. Im wirklichen Leben müssen Weltraumreisende eben auch zum Klo. Anscheinend findet Bubbacub diesen Velourstoff unwiderstehlich. Immer wenn ich die Jacke weglege, um irgend etwas zu tun, liegt er drauf und schläft, wenn ich zurückkomme. Ich werde ihm so etwas kaufen müssen, wenn wir wieder auf der Erde sind. Aber – wovon sprachen wir, bevor ich Sie verließ?«
    Jacob deutete auf die Planetenoberfläche unter ihnen. »Ich dachte gerade daran... Ich verstehe jetzt, weshalb Astronauten den Mond einen ›Spielplatz‹ nennen. Hier muß man in der Tat ein wenig vorsichtiger sein.«
    Kepler nickte. »Ja, aber es ist doch um einiges besser als die Arbeit in einem dieser Arbeitsbeschaffungs-Projekte auf der Erde.« Kepler machte eine kurze Pause, als habe er eine ätzende Bemerkung auf der Zunge. Aber seine Leidenschaft versickerte, bevor er weitersprechen konnte. Er wandte sich dem Sichtfenster zu und deutete auf die Aussicht, die sich ihnen bot. »Die frühen Beobachter, Antoniodi und Schiaparelli, nannten diese Gegend Charit Regio. Dieser große alte Krater da drüben heißt Goethe.« Er zeigte auf eine zerklüftete Anhäufung von dunklerem Gestein in einer hell erleuchteten Ebene. »Von dort aus ist es nicht weit bis zum Nordpol, und darunter liegt das Geflecht von Höhlen, welches den Stützpunkt Hermes ermöglicht.«
    Kepler bot jetzt das perfekte Bild des würdigen GentlemanWissenschaftlers – abgesehen von den Augenblicken, da das eine oder andere Ende seines langen, aschblonden Schnurrbartes in seinem Mund steckte. Seine Nervosität schien zu verfliegen, je näher sie dem Merkur und der Sundiver-Basis kamen, wo er der Boss war.
    Aber hin und wieder während der Reise, vor allem, wenn die Rede auf das Lifting oder auf die Bibliothek gekommen war, hatte Kepler plötzlich dreingeblickt wie ein Mann, der vieles zu sagen hätte und nicht weiß, wie er es sagen soll. Es war ein nervöser, ja verlegener Gesichtsausdruck gewesen, als traue er sich nicht, seine Meinung frei zu äußern, weil er fürchtete, deshalb getadelt zu werden.
    Nach einigem Überlegen hatte Jacob das Gefühl, den Grund zu kennen. Obgleich der Sundiver-Chef sich nicht ausdrücklich offenbart hatte, war Jacob davon überzeugt, daß Dwayne Kepler ein religiöser Mann war.
    Bei der ›Hemden‹-›Häute‹-Kontroverse und den Kontakten mit den Außerirdischen war die organisierte Religion zerrissen worden.
    Die Dänikenisten predigten ihren Glauben an eine große, aber nicht allmächtige Rasse von Wesen, die an der Entwicklung des Menschen manipulierend teilgehabt hatten und sich möglicherweise eines Tages wieder in dieser Weise betätigen würden. Die Anhänger der Neolithischen Ethik hingegen verkündeten das greifbare Vorhandensein des ›menschlichen Geistes‹. Und die bloße Existenz Tausender das Weltall bereisender Rassen, von denen nur wenige sich zu etwas bekannten, das den Glaubenssätzen der alten terranischen Religionen ähnelte, fügte der Vorstellung von einem allmächtigen, anthropomorphen Gott großen Schaden zu. Die meisten der formellen Glaubensgemeinschaften hatten sich auf die eine oder andere Seite des ›Hemden‹-›Häute‹-Konfliktes geschlagen oder einen philosophischen Theismus entwickelt. Ihre Gläubigen waren scharenweise zu anderen Bannern übergelaufen, und die wenigen, die geblieben waren, verhielten sich still in all dem Aufruhr.
    Jacob hatte sich oft gefragt, ob sie wohl auf ein Zeichen warteten.
    Wenn Kepler ein Gläubiger war, würde das seine zurückhaltende Vorsicht wenigstens zum Teil erklären. Arbeitslose Wissenschaftler gab es heutzutage genug. Kepler würde nicht riskieren, daß sein Name die Liste erweiterte, indem er sich einen Ruf als Fanatiker

Weitere Kostenlose Bücher