Sonnenwende
einer richtigen Frau?«
Sie meinte damit eine mit gereifter Persönlichkeit, die ihn am Ende sogar fordern könnte. Eine wie sie also.
»Ach, glaub mir, das hab’ ich doch!«, rief er aus. »Aber es ist nun einmal so, dass bei Frauen spätestens mit achtundzwanzig der körperliche Verfall einsetzt. Also … Es gibt welche, die schaffen es noch ein paar Jahre länger, aber die sind selten. Das ist nicht schön, und ich verstehe, dass das für viele Frauen ein Problem ist, aber für mich ist es eben auch eins. Und dann diese Kinderscheiße. Mit einer Frau über dreißig auszugehen ist völlig sinnlos, spätestens beim zweiten Mal bekommt sie diesen Gesichtsausdruck, und du weißt, dass sie sich gerade überlegt, ob du der Vater ihrer künftigen Kinder sein könntest. Und da wunderst
du
dich, dass ich ›diffuse Bindungsängste‹ habe? Die sind
null
diffus, kann ich dir sagen.«
»Aber jemanden wie diese kleine Schnattergöre könntest du doch unmöglich lieben.«
»Wer will denn so was?«
»Ach komm! Jeder will Liebe. Niemand ist gerne allein. Mal ehrlich: Heimlich sehnst du dich doch auch nach einer Frau, mit der du dein Leben teilen und zusammen alt werden kannst.«
Wladimir wand sich. Konfrontationen mit dem Thema Liebe & Alter war er nicht gewachsen.
»Bloß nicht. Alt zu werden ist doch an sich schon schlimm genug, aber seinen eigenen Niedergang auch noch in dem Körper gespiegelt sehen zu müssen, der jeden Morgen neben dir liegt … Das kann sich doch nur ein Masochist wünschen. Willst du das?«
|136| »Natürlich. Jede Frau wünscht sich den Mann fürs Leben. Heiraten, Kinder kriegen, Wolke Nummer sieben für den Rest des Lebens.«
Sie redete, als hätte sie gar nicht bemerkt, dass Tom wieder zurück war. Dabei war der letzte Satz für seine Ohren bestimmt, nicht für Wladimirs. Als hätte sie einen anderen schon längst geheiratet.
»Weißt du was? Du bist frauensüchtig«, platzte sie schließlich heraus.
Wladimir: »Ist das was Schlimmes?«
»Wenn man Frauen nur als Beute sieht, die es zu erlegen gilt? Ich weiß nicht, ob das schlimm ist, auf jeden Fall ist es armselig.«
Jetzt wurde es Wladimir zu bunt. Was sollte der Scheiß? Das war schließlich kein Tribunal hier.
Wladimir: »Weißt du, was
du
bist?«
»Auf jeden Fall nicht männersüchtig.«
»Nee, du bist beziehungssüchtig! Und wenn das die Wahl ist, die ich haben soll, dann bin ich tausendmal lieber frauenals beziehungssüchtig.«
»Du überdeckst doch nur deine Bindungsunfähigkeit!«
Das hörte Wladimir nicht zum ersten Mal.
»Blödsinn, da stehe ich zu.«
Tom hatte ein schlechtes Gewissen, weil es ihn auf Wladimirs Seite zog. Er unternahm einen Schlichtungsversuch: »Vielleicht ist Wladimir eher beziehungs
unwillig
als
- unfähig .«
Helen: »Was soll denn das jetzt?«
Der kritische Punkt war erreicht, Tom hatte die Wahl: Wahrheit oder Diplomatie, Havarie oder Schadensbegrenzung. Als hoffnungsloser Fall entschied er sich natürlich für die Wahrheit.
»Ich verstehe nicht, weshalb du Wladimir vorwirfst, ein Leben ohne Beziehung, aber nicht ohne Sex zu führen. Wir leben doch nicht im Mittelalter.«
|137| Heimlich beneidete Tom ihn natürlich, denn bei ihm lief es seit einiger Zeit eher andersrum: Er hatte jede Menge Beziehung, aber keinen Sex.
Betretenes Schweigen.
Helen kämpfte gegen einen ungeheuren Rechtfertigungsdruck an, und außerdem fühlte sie sich im Stich gelassen – von ihm, Tom, ihrem ach so tollen Freund. Statt dass der ihr den Rücken stärkte, wie er es getan hätte, wenn er wirklich zu ihr stehen würde, sprang er für seinen ewig pubertären Wladimir in die Bresche. Dabei war der ein totaler Gefühlskrüppel. Unfähig, sich auf jemanden einzulassen und Verantwortung zu übernehmen. Unfähig zu lieben! Ein totaler Egoist! Und Tom saß da und nahm ihn in Schutz. Er sollte lieber mal darüber nachdenken, was Loyalität bedeutete. Liebe ist bedingungslos, du Schleimer! Helen konnte nicht länger an sich halten: »Wladimir, du tust mir ehrlich leid. Ich hatte ja keine Ahnung, was für ein armseliges Leben du führst.«
»Du sagst es. Schlimm, nicht?«
»Kein Wunder, dass du nichts auf die Reihe kriegst. In deinem Kopf ist einfach nur Platz für eins.«
»Und was soll das sein?«
»Sex. Jagen, erlegen, ficken. Das ist deine armselige kleine Welt.«
Wladimir verschlug es für einen Moment die Sprache, dann machte die Verwunderung dem Ärger Platz: »Na und! Was soll denn daran schlimm sein? Sex ist doch
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