Sonntag bis Mittwoch
nicht vor einer Jury zu glänzen. Spar dir die Mühe.«
»Adam, nun hör doch mal zu!« Er marschierte vom Schreibtisch fort. »Wenn es sich um Geld handelt, kann ich etwas aufbringen, obgleich mich Charlenes Unterhalt ganz schön strapaziert –«
»Es geht tatsächlich um Geld. In manchen Kreisen als Pinke bekannt.« über die Länge des Zimmers sah er mich an, verblüfft, skeptisch, besorgt. »Wieviel?«
»Soviel ich besitze. Plus minus ein- oder zweitausend.«
»Ich verstehe. Weißt du, gestern hast du mir Angst eingejagt« – er kam stirnrunzelnd auf mich zu –, »aber heute bin ich starr vor Schrecken.«
»Weswegen?« Die Ruhe war so allumfassend, daß selbst ich kaum meine Worte vernahm. »Weswegen, Henry?«
Sehr leise und sanft: »Schau dich doch an. Du bist um zehn Jahre gealtert. Ohne Krawatte, unrasiert. Du sitzt da wie ein verdammter Eisberg. Wenn du die Wahrheit wissen willst, ich glaube, daß du durchdrehst.«
Ich schlug ihn. Die nackte Gewalt explodierte in mir, wie eine Bombe. Mit ausgestrecktem Arm stand ich da und wurde mir meiner Handlung erst bewußt, als ich das Klatschen hörte. Ich hatte ihn hart am Kinn getroffen und sah Ungläubigkeit in seinen Augen, als er nach rückwärts taumelte. Die Sekunden dehnten sich, ehe er hinter sich griff und auf der Couch niedersank, die Hand am Kinn. O Gott, er hatte recht, ich drehte wirklich durch.
»Das sieht dir schon wieder ähnlicher«, sagte Henry. »Freund, du hast mir Sorgen gemacht.«
Und ich merkte, daß er darauf hingearbeitet hatte – wie Wilby, wie Jenny –, in mir wieder den Zorn zu erwecken, der mich jetzt durchflammte. Er hatte mich gereizt, aber aus anderen Motiven.
»Ich wiederhole es, und du wirst mir jetzt wohl zustimmen: Du bist nicht weit von einem Nervenzusammenbruch entfernt, Adam. Und das kann ich nicht untätig mit ansehen!«
Und nun war es um mich geschehen. Plötzlich begann ich zu weinen. Wilby hatte gewonnen, es war mit mir vorbei. Ich barg mein Gesicht in den Armen auf dem Schreibtisch und ließ mich gehen. Wilby hatte mir den Schneid abgekauft, und ich hatte es nicht einmal gemerkt, war zu feige gewesen, es mir einzugestehen. Krank wie er war hatte er mich auf sein Niveau herabgezogen, und nun hatte ich mich als erster geschlagen gegeben.
Ich spürte vage, daß Henry neben mich trat, und konnte seine Worte kaum verstehen. »Adam, reiß dich zusammen!« Aber er hatte sie in den Wind gesprochen, ich bebte hilflos und fassungslos am ganzen Leib. »Jeder braucht einmal Rat und Hilfe, das ist keine Schande –« und er rüttelte mich an der Schulter. »Verdammt, Adam, du mußt mit dem Selbstmitleid aufhören.«
Meine Verzweiflung ließ nach. Sie verebbte nicht völlig, lauerte schwarz und kochend in meinem Blut, und ein erhitzter Protest blieb mir gallebitter in der Kehle stecken.
Doch der Widerspruch erstarb. Hatte ich das getan? Mich meinem Selbstmitleid hingegeben? Das, was ich Wilby angekreidet hatte.
»Schließlich«, sagte Henry und zog seine Hand zurück, »basiert das Gesetz auf der Annahme, daß jeder für seine Handlungen verantwortlich ist, wie du weißt. Du hast die Pflicht, bei Verstand zu bleiben. Klar?«
In diesem Augenblick wußte ich, daß ich mich ihm anvertrauen würde. In seinem Gesicht, seiner Haltung, seiner Stimme lag soviel Stärke und Zuversicht und Sorge, daß ich nicht mehr begriff, was mich von einer Beichte abgehalten hatte.
»Einverstanden«, stimmte ich zu. »Setz dich, Henry. Setz dich, dann werde ich dir erzählen, was vorgefallen ist.« Ich korrigierte mich. »Was geschieht.«
Er ließ sich auf einen Stuhl sinken, rieb das Kinn, und sein Gesicht nahm jenen aufmerksamen Ausdruck an, der – ihm völlig unbewußt – ruhige Sicherheit ausstrahlte.
Ich begann mit dem Sonntagabend, brachte möglicherweise ab und zu den Gang der Ereignisse durcheinander, weil mein Geist nicht so schnell und präzise wie sonst funktionierte, und die Erinnerungen ineinanderliefen, und beschrieb die Vorkommnisse. Ich versuchte, Henry ein objektives Bild von Wilby und Jenny zu vermitteln, fand es aber schwierig, Wilbys Persönlichkeit zu interpretieren, weil meine Haltung ihm gegenüber zusehends schwankend geworden war. Ich beschrieb die Sexepisoden ohne Schönfärberei und Ausflüchte und ohne meine Begierde mit Haß und Wut zu entschuldigen. Dann berichtete ich von der Drohung mit der Anzeige wegen Notzucht an einer Minderjährigen und von Wilbys Vorschlägen, deren Annahme möglicherweise
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