Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
Vom Netzwerk:
für gar nichts. Vor wie vielen Jahren hatte sie das gesagt? Hatte sie es wirklich gesagt? Ich weiß, ich verlange sehr viel, aber so ist es nun einmal. Ja, das waren ihre Worte, vor langer Zeit. In England. In unserem Zimmer in Bartleck. Schieb es auf Vater, wenn du willst. Die Tochter eines internationalen Herumtreibers – oder sollte man ihn auf gut amerikanisch Playboy nennen? – muß sich wohl für das eine oder andere entscheiden. Ich bin nun einmal das Gegenteil von ihm. Und du bist in der Falle, lebenslang. Ganz oder gar nicht.
    Und so war es auch gewesen, Lydia. In gegenseitiger Übereinstimmung – nein, nicht Übereinstimmung war das, sondern gemeinsamer Wunsch, Lebensinhalt. Bis jetzt.
    Mir knurrte der Magen, ich hatte nichts gegessen. In der Wohnung hatte mir schon der Gedanke an Frühstück widerstanden. Nun beschloß ich, eine Tasse des schwachen Kaffees zu trinken, den Phoebe mir allmorgendlich im Büro anbot und den ich unweigerlich ablehnte. Falls wir jemals das Büro erreichten.
    Wenn Lydia es erführe, würde sie mir nie vergeben. Sie konnte das nicht. So einfach war das, und es muß mir die ganze Zeit im Unterbewußtsein gegenwärtig gewesen sein. Sie hätte eben nicht fortfahren dürfen.
    Also ist Lydia an allem schuld!
    Nein. Aber ein ganzer Monat!
    Wäre es dir lieber, ihre Mutter wäre gestorben?
    Natürlich nicht. Aber Lydia hat ihrer Mutter nie sehr nahegestanden, hat sich immer über die kalte, herrschsüchtige Frau mokiert. Das erklärt Vaters Verhalten. Oder sie ist seinetwegen so geworden. Falls man jemand für die Handlungen eines anderen verantwortlich machen kann – woran ich nicht recht glaube.
    Bei Lydia mußte jeder für sich einstehen, auch sie, auch ich. Endlich hielt das Taxi an.
    Energisch ging ich an dem Zeitungs- und Zigarettenstand in der Halle vorüber, entschlossen, keine Zigarette mehr zu rauchen, obgleich mich die Sucht trotz meines ausgetrockneten Mundes und meiner rasselnden Bronchien wieder in den Klauen hatte. Die Wochen, nein Monate der Qual des Abgewöhnens wollte ich nicht wieder durchmachen, wenn dies vorbei war. Heute. Wenn ich es heute nachmittag hinter mir hatte.
    Der Aufzug war voll besetzt. Es galt, nicht an die Nacht zu denken, nicht zurückzuschauen. Was ich auch getan hatte, es waren die Handlungen eines Fremden. Eines Fremden vielleicht, der in mir steckte, zugegeben, aber doch eines Fremden. Indessen, was wußte ich schon über mein eigenes Ich? Existierte es tatsächlich, oder hatte ich mir das nur eingebildet? War es wirklich? Was war wirklich?
    Phoebes Begrüßung war ebenso freundlich und frisch wie immer, und irgendwie recht tröstlich, aber als sie mich näher betrachtete, vermeinte ich zu sehen, daß sie blinzelte. »Mr. Welch wartet schon«, sagte sie.
    Verdammt. Ich hätte gleich zur Bank gehen sollen.
    Phoebe war mir gefolgt – eine Gewohnheit, die mich nie zuvor irritiert hatte. »Möchten Sie eine Tasse Kaffee, Mr. Wyatt?«
    Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und sah zu ihr auf. Ihre grauen Augen blickten gelassen und unpersönlich drein. Mir war, als sähe ich sie zum ersten Mal, obgleich sie bereits seit drei Jahren für mich arbeitete. Sie war Mitte Dreißig, vielleicht auch schon Anfang Vierzig, wirkte aber trotzdem jugendlich und sehr fraulich: klargeschnittenes Gesicht mit weichen Rundungen, das gefärbte blonde Haar streng frisiert, ein Eindruck, der durch ihren gutentwickelten, aber nicht fülligen Körper gemildert wurde. »Danke, Phoebe«, sagte ich, »gern. Aber Mr. Welch kann ich heute früh nicht empfangen. Lassen Sie sich eine Ausrede einfallen.«
    »Sie möchten, daß ich lüge?«
    Hier war es schon wieder: Sogar Phoebe kannte meine Abneigung gegen Lügen. »Das ist doch nichts Besonderes, Phoebe. Sogar die feinsten Leute tun es.«
    »Natürlich. Aber er hat Sie hereinkommen sehen. Soll ich ihm sagen, Sie fühlen sich nicht wohl?«
    Ich sah nicht gut aus, das meinte sie wohl. Krank oder verkatert, oder beides – also war sie nicht weit von der Wahrheit entfernt. Ich blickte auf meine Uhr. »Gut, ich werde mit ihm sprechen, lassen Sie mir eine Minute Zeit. Und ich hätte gern einen Kaffee.«
    Sie zog sich mit einem nur leicht erstaunten Gesicht zurück. Tüchtige Phoebe. Vor Jahren geschieden, wie sie bei ihrer Bewerbung angegeben hatte. Warum hatte ich sie nicht um eine Zigarette gebeten? Warum hatte ich sie nicht nach unten geschickt, eine Packung zu kaufen? Das Büro war drückend schwül. Ich stand auf und

Weitere Kostenlose Bücher