Sonntag bis Mittwoch
Ich habe jeden Tag damit zu tun. Ich kann mich einschalten, kann sie verhaften, wenn eine Anzeige vorliegt, kann sie vor Gericht bringen –«
»Begreifen Sie nicht –«
»Ich habe Ihnen zugehört, Mr. Wyatt, jetzt lassen Sie mich bitte ausreden. Sie haben hier auch eine Verpflichtung, was, zugegebenermaßen, nicht ohne Ironie ist.« Er schüttelte den hageren Kopf. »Es ist Ihre Pflicht, Ihrem Klienten zu raten, aus der Wohnung zu verschwinden. Dann nennen sie mir seinen Namen und seine Adresse und den Namen des Pärchens, falls sie den wissen. Kennen Sie den?«
»Er … sie wollten ihn nicht angeben.«
Stanley Ephron legte lautlos eine Faust auf die Schreibtischplatte und fuhr fort: »Den bekommen wir schnell genug heraus. Also, wie heißt Ihr Klient?«
Ich zögerte und sagte dann kleinlaut: »Ich weiß nicht.«
Stanley Ephron betrachtete mich lange schweigend. Er starrte die Tür an. »Schlimm für ihn.« Gleich darauf änderte sich seine Stimmung, und er baute sich drohend vor mir auf. »Verdammt, begreifen Sie nicht? Wenn die beiden aus irgendwelchen Gründen polizeilich gesucht werden, macht sich Ihr Klient – dessen Namen Sie soeben vergaßen – schuldig, Verbrecher zu beschützen. Und falls eine Abtreibung stattfindet – falls sie nötig ist und mit seinem Geld finanziert wird, macht er sich ebenfalls schuldig. Wenn sie rauschgiftsüchtig sind und etwas von dem Zeug bei sich haben, macht er sich der Begünstigung schuldig.« Er hatte immer eindringlicher auf mich eingeredet; nun reckte er sich in die Höhe und wippte auf den Zehenspitzen. »Zum Teufel, Wyatt, warum halte ich Ihnen eine Vorlesung? Ihr Klient kann sich strafbar machen, und Sie ebenfalls! Sie kennen Ihre Pflicht! Also tun Sie sie, sofort!« Er setzte sich wieder an seinen papierübersäten, abgenutzten Schreibtisch, schob einige Unterlagen mit dem Ellbogen beiseite und nahm einen Bleistift in die Hand. »Sofort, Mr. Wyatt!«
Morgen biste uns los, Paps. Noch eine Nacht – Jennys Idee. Dann – puff – lösen wir uns in Luft auf Versprech' ich dir.
Stanley Ephron wartete einen Augenblick und schmetterte dann den Bleistift auf den Schreibtisch. »Zum Teufel, Wyatt, ist dieser Bursche etwa ein Freund von Ihnen?«
»Nein«, erwiderte ich langsam. »Nicht direkt. Nur –«
»Nur?«
»Ich war bei ihm. Er sieht sehr mitgenommen aus. Er ist bereits –«
»Das ist noch gar nichts. Was meinen Sie wohl, wie er aussehen wird, wenn die beiden mit ihm fertig sind. Dreitausend, lachhaft! Die bluten ihn aus. Die ziehen ihm das letzte Hemd aus! Glauben Sie mir, mit dem Gesindel habe ich alle Tage zu tun. Wenn wir denen nicht das Handwerk legen, wenn wir keine Handhabe finden –«
Ich stand auf. »Schauen Sie, Mr. Ephron, mein Klient will sich nicht gegen die Gesetze vergehen, er möchte ja nur –«
»Meinen Sie etwa, die würden aufhören, wenn sie ihm das Fell über die Ohren gezogen haben? Die machen anderswo weiter, auch wenn –«
»Er möchte ja nur, daß Sie ihm helfen, ohne daß alles an die große Glocke gehängt wird, ohne –«
»Er ist nicht in der Lage, Forderungen zu stellen –«
»Ich habe Ihnen doch gesagt, wovor er Angst hat!«
Stanley lehnte sich in seinem Schreibtischsessel zurück. Er ächzte. »Ich habe Sie ganz gut verstanden. Nur läßt es sich nicht so machen. Heutzutage nicht mehr.« Seine Stimme klang so resigniert, als habe er sein Leben lang versucht, sich gegen die Flut zu stemmen, eine Flut von Laster und Verbrechen, die früher oder später doch den Damm durchbrechen würde. »Niemand ist daran interessiert, ihn vor aller Welt ans Kreuz zu schlagen, damit die Boulevardpresse höhere Auflagen verkauft, verdammt noch mal. Aber schließlich können wir der Presse keinen Maulkorb umhängen. Selbst wenn wir die Reporter anfangs fernhalten könnten, wird sich der Junge doch einen Anwalt nehmen, einerlei, was es kostet. Wir können ihn vorher nicht einmal verhören. Und sein Anwalt verständigt die Zeitungen. Sein Klient besteht darauf, für den Anwalt ist es gute Propaganda und für die Zeitungen ein gefundenes Fressen. Wenn Ihr Bekannter irgendwie prominent ist oder auch nur ein halbwegs erfolgreicher Mann, dann reißen sie ihn in Stücke. Dagegen bin ich machtlos. Ich könnte Sie anlügen und Ihnen falsche Versprechungen machen. Aber warum sollte ich? Auch Verbrecher haben ihre Rechte, selbst wenn man weiß, daß sie schuldig sind. Und der betreffende Ganove –« Er kam um den Schreibtisch
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