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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
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Vielen Dank für das Essen. Es war wirklich ein Genuß.« Sie schritt um den Tisch herum. »In mancher Beziehung.«
    Auf der Straße – die so gleißte, daß mich das Sonnenlicht blendete – wollte ich sie in ein Taxi setzen, aber sie bestand darauf, zu Fuß zu gehen. »Vom Taxi aus kann man die Schaufenster nicht betrachten.« Sie küßte mich leicht auf die Wange, und ich sah ihr nach, wie sie sich entfernte, hochaufgerichtet mit steifem Rückgrat, aber etwas unsicheren Schritten. Einen Moment war ich versucht, ihr zu folgen.
    Meine Entschlossenheit, der feste Vorsatz, das Pärchen in meiner Wohnung um jeden Preis und ohne Rücksicht auf die Konsequenzen loszuwerden, verließ mich. Nur noch ein Tag. Arzt-Arzt sagt morgen. Drei Uhr. Wie konnte ich so unvernünftig sein, einen Skandal, eine Bloßstellung zu riskieren, wenn ich nur noch eine Nacht durchzuhalten brauchte? Hast noch 'ne Nacht vor dir, was? Nein, das war nicht der Grund, nicht mein Motiv, zum Teufel mit dem kleinen Flittchen. Mein Motiv war klar und einleuchtend. Wenn die Sache jetzt an die Öffentlichkeit drang, würde sie Anne ebenso kränken wie Lydia. Und dann würde Anne auf keinen Fall nach Hause kommen; sie würde es nicht über sich bringen.
    Ich winkte ein Taxi herbei und ließ mich zum Foley Square fahren. Die Polster waren wieder glühend heiß, und ich konnte mich kaum anlehnen. Was ich vorhatte, war ein aussichtsloses Unterfangen, ein verzweifelter Versuch. Aber etwas Besseres fiel mir nicht ein.
    Während ich sprach, hörte Stanley Ephron aufmerksam zu, eine Hand vor den Augen, um sie gegen das Licht abzuschirmen. Er war klein und korpulent und schaute bekümmert drein. Er unterbrach mich nicht und wurde auch nicht ungeduldig. Ich konzentrierte mich, so gut ich konnte sein Büro war wie ein Brutofen, was Ephron nicht zu merken schien –, und ließ nichts aus, keine Einzelheit, die von Bedeutung sein mochte. Bis auf eine Ausnahme hielt ich mich an die Wahrheit und fragte mich, während ich sprach, ob das Ephrons Scharfsinn – ich hatte schon öfters mit ihm zu tun gehabt, wenn auch unter anderen Umständen – entgehen oder ob er die einzige Lüge in diesem Gewebe durchschauen würde.
    Als ich endete, war mein Mund ausgetrocknet. Stanley Ephron klopfte mit den Fingern auf die Schreibtischplatte, seufzte einmal tief und sagte schließlich: »Der Mann ist in einer Klemme, nicht wahr?« Irgend etwas in seiner müden Stimme, eine distanzierte Milde in seinem Tonfall, gab mir neue Hoffnung: War es möglich, daß er wirklich Verständnis hatte? Mitgefühl? »In einer bösen Klemme, Mr. Wyatt. Eine Hure und ein Ganove. Lieber Gott! Was wollen Sie nun von mir wissen, Mr. Wyatt? Welchen Rat Sie Ihrem Klienten geben sollen?« Trotz größter Wachsamkeit vernahm ich bei dem Wort ›Klient‹ keinen zweifelnden Unterton. Ich war ungeheuer erleichtert: Er hatte die Lüge nicht erkannt.
    »Nein«, antwortete ich, »ich möchte wissen, was die Polizei – Ihr Amt – zu seiner Unterstützung unternehmen kann.«
    Stanley Ephron ließ den Blick durch sein Büro schweifen, das im Vergleich zu meinem eng, unordentlich, antiquiert und etwas verstaubt wirkte. »Mr. Wyatt, ich bin lediglich ein überarbeiteter Assistent des Bezirksanwalts, und außerdem sehr beschäftigt.« Er seufzte noch einmal. »Natürlich können wir dem armen Kerl helfen. Ich kann einen Streifenwagen mit einem Haftbefehl in seine Wohnung schicken. Ich brauche nur eine unterschriebene Anzeige.«
    Die Hoffnung erstarb, die Erleichterung schwand. »Sie verstehen nicht ganz. Er … mein Klient hat eine Frau und Kinder.«
    »Daran hätte er denken sollen, ehe er sich auf die Sache einließ.«
    »Sie haben nicht zugehört. Er denkt ja eben an sie. Er hat nicht –«
    »Mr. Wyatt, ein Mann mit Ihrer Erfahrung und Ihrer Menschenkenntnis glaubt doch wohl nicht, daß der arme Kerl sich das Mädchen nicht angelacht hat?«
    Ist doch wirklich übel, daß die Leute immer das Schlimmste annehmen. Von anderen Leuten.
    »Doch«, erwiderte ich niedergeschlagen, »ich glaube ihm.«
    Er starrte mich an. »Na ja, das ist Ihr gutes Recht. Und Ihr Problem, wenn Sie sich täuschen lassen. Aber was Sie oder ich zufällig glauben, ändert nichts an den Tatsachen.« Er erhob sich mit eingezogenen Schultern; seine Haltung drückte eine gewisse Kühle aus, auch Ungeduld. »Mein Problem, Mr. Wyatt, besteht darin, daß dieser Abschaum sich immer mehr breitmacht, nicht nur hier, sondern überall auf der Welt.

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