Sonntags bei Tiffany
Glück erfüllt. Das tat es noch immer.
Auch wenn mein Herz auf Entdeckungsreise ging, lieà ich ihm Raum für die Möglichkeit, dass Michael jeden Moment verschwinden konnte, dass er sich plötzlich umdrehen und mir sagen könnte: »Du wirst mich vergessen, Jane. So funktioniert das eben.«
Aber so war es nicht gewesen. Vielleicht, so hoffte ich, würde er diesmal nicht wieder verschwinden.
»Ach, hier ist das Metropolitan Museum«, stellte Michael fest. »Es hat noch eine Stunde geöffnet.«
Waren noch keine vierundzwanzig Stunden vergangen, seit ich hier drin einen meiner fürchterlichsten Abende verbracht hatte? Es kam mir wie ein Jahr vor. Doch ich wollte unbedingt mit Michael hineingehen.
ACHTUNDDREISSIG
Wohin sollen wir zuerst gehen?«, fragte ich ihn, als wir in der riesigen Eingangshalle des Museums standen.
»Ich würde dir gerne was zeigen«, begann Michael, bevor er über sich selbst lachte. »Ich meine, ich bin sicher, du hast es schon tausendmal gesehen, aber ich wollte es gerne mit dir zusammen anschauen. Okay?«
»Klar.« Er hätte auch fragen können, ob ich mit ihm eine Dose Katzenfutter essen wollte, ich hätte auf keinen Fall nein gesagt. Michael nahm meinen Arm, was für ihn nur natürlich zu sein schien, mir aber eine Gänsehaut bereitete und mich fast umhaute. Im positiven Sinn. Tot umzufallen wäre nicht so gut gewesen.
Arm in Arm gingen wir die breite Treppe hinauf. Ich genoss es, an seiner Seite zu sein, aber es war egal, wo wir waren, weil ich schlieÃlich nur träumte, oder?
Wir bogen nach links ab, gingen durch eine groÃe Holztür und standen in einem der schönsten Säle der Welt. Riesige Leinwände mit Monets Wasserlilien hingen an den Wänden, umgaben uns, führten uns in eine andere Welt.
»Warum bringen mich so schöne Dinge immer fast zum Weinen?«, fragte ich Michael, als ich mich gegen ihn
lehnte. Meine Frage war unbedacht, eine, die ich Hugh nie gestellt hatte.
»Ich weià nicht«, antwortete Michael. »Vielleicht ist Schönheit, wahre Schönheit, so überwältigend, dass sie uns direkt ins Herz trifft. Vielleicht weckt sie Gefühle, die in uns verschlossen sind.« Er blinzelte und lächelte verschämt. »Entschuldige. Ich habe mir wieder so eine Talksendung angesehen.«
Ich lächelte zurück, entzückt über diesen Mann, der tatsächlich über sich selbst lachen konnte. Das genaue Gegenteil von Hugh â weder dem Grant noch dem Jackman, sondern dem aus meinem alten Leben.
Schweigend schlenderten wir durch diesen aufsehenerregenden Saal, der unsere Augen und unsere Herzen erfüllte.
Nach einer Weile schienen wir beide das Gefühl zu haben, dass es Zeit war zu gehen.
»Ich begleite dich nach Hause«, bot Michael an. »Möchtest du?«
Mochte ich? Natürlich mochte ich. »Klar, das wäre prima«, antwortete ich. »Es ist nicht weit von hier, auf der anderen Seite vom Park. In den Siebziger-StraÃen.«
»Ich weië, sagte er.
Ich war überrascht. »Woher weiÃt du das?«
Er blieb stehen. »Ich weià es einfach, Jane. Du weiÃt, wie ich bin. Bestimmte Dinge weià ich einfach.«
Als der Nachmittag in den Abend überging, wurde die Luft kühler und der Himmel grauer. Wir gingen Richtung Osten zur Park Avenue. Michael hielt nicht mehr meinen Arm, und ich bedauerte bereits den Abschied. Ich wusste
nicht, ob ich ihn aushalten würde, aber ich hatte keine andere Wahl.
Auf der 80th Street kamen wir an einem schicken Gebäude vorbei. Die Eingangshalle hinter den Glastüren war mit französischen Antiquitäten ausgestattet, die Wände mit Goldblatt verkleidet. In der Mitte der Halle stand ein groÃer Emailtopf mit dem gröÃten Gardenienbusch, den ich je gesehen hatte.
»Oh, ich liebe Gardenien«, schwärmte ich. »Ihren Duft. Sie sind so hübsch.«
»Geh weiter«, sagte Michael. »Ich hole dich ein.«
Nervös betend, er möge nicht verschwinden, ging ich langsam weiter, ohne zu versuchen, nach hinten zu blicken. Einen Moment später war er wieder neben mir â in der Hand eine einzelne weiÃe, duftende Gardenie mit zart rosa geränderten Blütenblättern.
»Wie machst du das nur?«, fragte ich.
»Was? Dass ich dir die Blume besorgt habe?«
»Nein. So ⦠perfekt zu sein.« Als ich den süÃen Duft der
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