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Sonntags bei Tiffany

Sonntags bei Tiffany

Titel: Sonntags bei Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patterson James
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selig in Michaels Gesellschaft und fragte mich: Was ist hier eigentlich los? Mit Sicherheit etwas, das vorher noch keinem Menschen passiert war. Es musste eine logische Erklärung geben. Vielleicht musste ich aber auch akzeptieren, dass es keine gab.
    Seit meinem zehnten Lebensjahr war ich nicht mehr Rollschuh gelaufen. Ich erinnerte mich, dass meine Mutter mich »Klotz« genannt hatte, einen Menschen, der keine natürliche Anmut besitzt. In dieser Hinsicht schien ich mich nicht großartig verändert zu haben. An der 96th Street versuchte ich, den steilsten Hügel im Park zu erklimmen. Meine Waden und Schenkel taten weh. Und plötzlich waren wir oben und rasten unkontrolliert wieder hinunter. »Michael!«, schrie ich.

    Er packte meine Hand. »Vertrau mir!«, rief er zurück.
    Also vertraute ich ihm. Und auf wundersame Weise bauten wir keinen Unfall. Michael sorgte wieder für mich, wie er es immer getan hatte.
    Wohlbehalten erreichten wir den Fuß des Hügels und ließen uns keuchend neben einer alten Frau im Rollstuhl ins dichte Gras fallen. Sie war in Begleitung einer Krankenschwester in gestärkter, weißer Uniform.
    Michael blickte auf seine Uhr. »Ich dachte, du hättest um zwei Uhr eine Besprechung«, erinnerte er mich.
    Â»Oh, habe ich versäumt.« Was mich überhaupt nicht kümmerte. Interessant.
    Die alte Frau beobachtete uns lächelnd. Ihre Begleiterin legte ein Tuch um ihre Schultern und schob sie weiter.
    Doch die Frau drehte sich noch einmal um. »Viel Glück Ihnen beiden«, rief sie. »Sie geben ein wunderbares Paar ab.«
    Dem konnte ich nur zustimmen. Ich blickte zu Michael, dessen Gesicht nichts verriet. »Sind wir ein Paar?«, fragte ich ihn und hielt den Atem an.
    Â»Ein durchgeknalltes Paar vielleicht«, antwortete er mit einem leichten Lachen.
    Nicht genau das, was ich hören wollte, aber nun ja.
    Zum Abendessen wählten wir scharfe, würzige und in Senf getauchte Hotdogs im Park. Wir marschierten und redeten und standen schließlich wieder vor meinem Haus.
    Â»Nun, da sind wir«, stellte ich geistreich fest.
    Martin, der Portier, entfernte sich taktvoll. Ja, jetzt würde ich Michael bitten, mit mir nach oben zu kommen.
Natürlich würde ich das. Und Martin wäre damit einverstanden.
    Doch gerade als die schicksalsschweren Worte aus meinem Mund purzeln wollten, beugte sich Michael zu mir vor. Ja, dachte ich. O ja, bitte. Sein Gesicht war einen Fingerbreit von meinem entfernt. Mir stockte der Atem. Aus dieser Nähe hatte ich ihn, seine weiche Haut, seine grünen Augen nie gesehen.
    Plötzlich wich er wieder zurück, fast so, als hätte er Angst.
    Â»Gute Nacht, Jane«, sagte er. »Es war ein toller Tag, aber ich denke, ich sollte lieber gehen.«
    Er drehte sich um und ging rasch davon – diesmal ohne sich umzudrehen.
    Â»Ich vermisse dich schon jetzt«, flüsterte ich.
    Ins Leere.

FÜNFUNDVIERZIG
    G ute Nacht, Jane? Ich denke, ich sollte lieber gehen? Wie hatte er das nur tun können? Die schlaflose Nacht nach einem Tag, an dem ich mich in Michaels Augen verloren hatte, war vorprogrammiert. Ich wollte eindeutig nicht allein in meiner Wohnung sein, aber ich war es.
    Mit ein paar Doppelkeksen ging ich ins Wohnzimmer und blickte auf die Stadt. Ja, gut, vier Doppelkekse. Ich wohnte so hoch, dass ich über die Nachbargebäude hinwegblicken konnte, und ich hatte eine herrliche Aussicht über den Central Park. New York war immer die richtige Stadt für mich gewesen, und an diesem Abend galt das noch viel mehr. Vielleicht, weil Michael irgendwo da draußen war. Was war er? Ein »imaginärer Freund«? Ein Engel? Eine Halluzination? Nichts von alldem ergab für mich einen Sinn. Doch eine andere Antwort hatte ich nicht.
    In dem Moment klingelte das Telefon. Auf keinen Fall wollte ich mit meiner Mutter oder mit Hugh reden und wütend werden. Sollte der AB die Sache übernehmen.
    Zuerst meldete sich meine Stimme, die dem Anrufer sagte, er solle eine Nachricht hinterlassen. Dann hörte ich die Stimme meiner Freundin Colleen, diejenige, die
heiraten wollte. Damals waren wir gemeinsam in einem Buchclub, einem Filmclub, einem Rockkonzertclub und einem Club für Haustiere auf Reisen gewesen. Heute verband uns vielleicht nicht mehr so viel miteinander.
    Â»O Jane, hier ist Colleen. Schade, dass du nicht zu Hause bist. Wir haben noch nicht miteinander geredet, seit ich

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