Sonntags bei Tiffany
Symptome: Herzklopfen, verschwitzte Hände, verträumte Aufmerksamkeitslücken, ein gewisses Maà an Unreife, Glücksgefühle so ungefähr in allen Körperteilen. Nach dem letzten Abend musste er Jane wiedersehen. Heute. Schlimmer noch, er musste sie wieder küssen. Er würde sie am Abend vom Büro abholen. Er konnte sich nicht zurückhalten, auch wenn dies für alle Beteiligten das Klügste gewesen wäre.
Als er vom Frühstück nach Hause kam, rannte er beinahe in Patty hinein, die gerade mit ihrer Tochter das Haus verlieÃ.
Uh, das hatte nichts Gutes zu bedeuten!
Patty weinte, und auch das kleine Mädchen wirkte traurig und verstört. Michael hatte bei Kindern diesen Blick schon oft genug gesehen, und jedes Mal wieder brach er ihm das Herz.
»Hallo, Patty«, grüÃte er sie und beugte sich nach unten,
um mit dem Mädchen zu reden. »Hallo, Herzchen. Du heiÃt Holly, oder? Was ist denn los?«
»Meine Mama ist traurig«, antwortete sie. »Sie hat mit ihrem Freund Owen Schluss gemacht.«
»Ja? Deine Mama ist aber sehr stark. Sie hat starke Krallen. Und dir gehtâs gut?«
»Ja. Ich habe mit meiner Freundin Martha darüber geredet«, sagte sie und flüsterte: »Sie ist unsichtbar, weiÃt du.«
»Na klar weià ich das«, bestätigte er, da Martha mit besorgtem Blick daneben stand. Sie winkte ihm zu, als Michael sie mit »Hallo« begrüÃte und Holly zuzwinkerte. »Wie gehtâs dir, Martha?«
Martha drehte die Hand in einer »so-so-la-la«-Geste.
Michael richtete sich wieder auf. »Du bist eine tolle Frau, Patty. Das weiÃt du, oder? Owen ist ein ⦠er ist noch nicht reif für Erwachsenenspiele.« Er wollte nicht lange um den heiÃen Brei herumreden.
»Danke, Michael. Ist ja nicht dein Fehler«, sagte Patty. »Sondern meiner.«
Sie eilte, Holly an der Hand hinter sich herziehend, die Stufen hinab.
»Owen ist ein Arsch«, murmelte Martha, als sie an Michael vorbeiging.
Er blickte dem Trio hinterher, bevor er die vier Stockwerke hinaufrannte. Ohne zu wissen, was er eigentlich tun sollte, trat er vor Owens Tür und wollte schon dagegenhämmern, hielt sich aber zurück.
Scheià was drauf! Owen Pulaski war es nicht wert und würde es wahrscheinlich nie sein. Irgendwas musste in seiner
Kindheit passiert sein, was ihn verdorben hatte. Das war bei vielen Männern so. Michael würde es nicht wieder richten können, dass Jungs keine Gefühle zeigen durften. Das war ungerecht und machte sie wütend, manchmal für den Rest ihres Lebens, sodass sie ihre Wut an jedem auslieÃen, vor allem an Frauen.
Plötzlich wurde die Tür geöffnet, und Owen stand vor ihm. Sein überraschter Gesichtsausdruck wandelte sich in den eines Mannes mit schlechtem Gewissen, aber nur kurz, weil er den Mund zu einem breiten, dämlichen Grinsen verzog.
»Hey, Mike! Was ist los, Kumpel?«
Michael schlug ihn zu Boden. »Ich spiele den Richter über dich, Owen. Betrachte dich als verurteilt.«
Und weil Michael eben Michael war, reichte er dem groÃen Kerl die Hand und half ihm, wieder aufzustehen.
»Ich will dir mal was sagen, Owen. Du hast gar nichts kapiert. Das Wichtigste und Schönste im Leben ist die Liebe. Ich gebe dir einen Auftrag: Suche dir einen Menschen, der dich liebt, und tue alles, was du kannst, damit du diesen Menschen ebenfalls liebst. Aber halte dich von Patty fern, sonst kriegst du noch mal eins drauf.«
Nachdem Michael seinen Teil gesagt hatte, ging er wieder nach drauÃen. Er musste Jane sehen. Sofort!
VIERUNDFÃNFZIG
Z ehn, vielleicht zwölf Minuten später â so wichtig war das auch nicht â stand Michael im Fahrstuhl und fuhr zu Janes Büro hinauf. Das hier konnte nicht warten. Als die Türen zur Seite glitten, merkte er gleich, dass etwas nicht stimmte. Elsie begrüÃte ihn nicht mit einem Lächeln, sondern einem aufgebrachten Blick.
»Ich gehe nach hinten zu Jane«, sagte Michael.
»Sie ist nicht hier. Ich habe gehofft, sie wäre bei Ihnen. Jane ist vor einer halben Stunde gegangen.«
Michael hörte Vivienne hinter der Tür schimpfen. Und er erkannte die schrille Stimme dieses schlechten Schauspielers, der Hugh hieÃ.
Er verstand nicht, was sie sagten, sondern schnappte nur die Wörter »Jane« und »wahnsinnig« auf. Die beiden schienen sehr aufgeregt zu sein. »Das
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