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Sonntags bei Tiffany

Sonntags bei Tiffany

Titel: Sonntags bei Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patterson James
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Kopf und blickte sich in der prächtigen Kirche um. Hier hatte ihm schon immer alles gefallen: die Mischung aus französischer Gotik und Romanik; die vom Kreuzgang abgehenden Kapellen; die byzantinischen Säulen und Bögen; die hallenden Stimmen; die Orgel, auf der geübt wurde. Hier lebt Gott, dachte er. Ganz sicher.
    Ruhe überkam ihn, als er sich die prächtige Fensterrose über dem Altar betrachtete.
    Und was ihn am meisten verwunderte: In seinem Auge bildete sich eine Träne. Sie trübte seinen Blick, bevor sie über seine Wange hinablief.
    Â»Was ist denn mit mir los?«, flüsterte er. Er hatte sich beim Rasieren geschnitten, an einem Tag zwei Kerle niedergeschlagen, auch wenn sie es verdient hatten, und jetzt weinte er. Ja, Traurigkeit überkam ihn. So fühlte sich also Kummer an. Dies war der Schmerz, den man mit dem Herzen spürte, der einem die Kehle zuschnürte, von dem er so viel gehört und gelesen hatte.
    Noch nie zuvor hatte er so etwas gespürt, und weil es
so schmerzhaft und unangenehm war, wollte er, dass es aufhörte. Er schnippte mit den Fingern, doch nichts passierte. Hatte er die Sache hier etwa nicht mehr in der Hand? Er war verloren und verwirrt, er quälte sich. Das laute Herzklopfen war von schwachen Herzstichen abgelöst worden, und mit den Schmerzen setzten Klarheit und Erkenntnis ein. Eine schreckliche Erkenntnis.
    Und vielleicht eine Botschaft. War es das, was hier passierte?
    Michael hatte das Gefühl, eine Antwort auf seine Gebete erhalten zu haben – eine Antwort, die ihm ganz und gar nicht behagte. Doch jetzt glaubte er zu wissen, warum er wieder in New York und Jane Margaux über den Weg gelaufen war. Solche Gefühle, eine Art Vorahnung, waren seinen Aufträgen immer vorangegangen, genau wie jetzt. Die Botschaft war sehr klar, und er konnte sich nicht erinnern, dass sich eine Vorahnung jemals so falsch angefühlt hätte. Nie, so weit er zurückdenken konnte.
    Â»O nein«, flüsterte er laut. »Das kann nicht sein.«
    Doch es konnte. Damit ergab alles, was bisher passiert war, einen Sinn. Dies war das fehlende Puzzleteil, nach dem er gesucht hatte. Es erklärte, warum er Jane wiedergetroffen hatte. Klar, das war die perfekte Antwort.
    Wieder blickte er zu der herrlichen Fensterrose hinauf, von dort zum Altar. Er wollte nicht glauben, was ihm eben klar geworden war.
    Vor vielen Jahren hatte Michael Jane geholfen, den Weg ins Leben zu finden. Er hatte ihr den Weg geebnet, war ihr »imaginärer Freund« gewesen, bis er sie an ihrem neunten Geburtstag hatte verlassen müssen.

    Und jetzt … war er derjenige, der auserwählt worden war, um Jane aus dem Leben zu führen. Das hatte er verstanden. Es ging um die Sterblichkeit des Menschen.
    Jane würde sterben.
    Deswegen war er hier in New York.

TEIL DREI
    Kerzen im Wind

SIEBENUNDFÜNFZIG
    M an kann es auch eine Botschaft nennen. Oder einen Weckruf. Oder Instinkt?
    Ich spürte das Bedürfnis, an einen »unserer« Orte zu gehen: zu den Stufen des Metropolitan Museums mit einem Blick auf New York, der mir schon als kleines Mädchen am besten gefallen hatte.
    Eine Zeit lang blieb ich auf den Stufen sitzen. Als ich aus dem Büro meiner Mutter gestürmt war, hatte ich dem Taxifahrer automatisch dieses Fahrziel genannt. Jetzt hatte meine Wut nachgelassen und sich in so etwas wie Stärke gewandelt. Zumindest redete ich mir das ein. Was dich nicht umbringt, macht dich stark. So heißt es doch, oder? Dieses Klischee hatte mir nie besonders gut gefallen, aber ich war mir nicht zu schade, es jetzt für mich gelten zu lassen.
    Jede Frühlingsblume schien aufgeblüht zu sein. Von meinem Platz aus sah ich die rosa Apfelbäume im Central Park, seitlich der Stufen standen Azaleen in lebhaftem Rot. Ein gold- und orangefarbenes Schachbrettmuster aus frisch gepflanzten Ringelblumen schmückte einen Garten in der Nähe der Fifth Avenue.
    Das ist besser, viel besser.
    Vor dem Museum sprangen Schüler aus Schulbussen.
Alte Damen gingen an Stöcken vorsichtig die Treppe hinauf, vielleicht um sich Jackie Kennedys Kleiderausstellung anzusehen. Ich war schon da gewesen. Konnte ich also abhaken.
    Ein jugendliches Pärchen saß ein paar Stufen von mir entfernt. Ihr sehnsüchtiger Kuss war zumindest in diesem einen Moment ein Zeichen hoffnungsloser Liebe. War ich auch verliebt, und war diese Liebe hoffnungslos?
    Die gute Nachricht war:

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