Sonst kommt dich der Jäger holen
zwischen uns, und wie Sie bestimmt wissen, bin ich geschieden, da besucht man sich auch nicht so gern, weil bei ihr ist ja alles wunderbar.«
»Aha.«
»Sind Sie verheiratet?«
»Bitte?«
»Ein Polizeibeamter, der verheiratet ist, bekommt doch rund hundert Euro Zulage im Monat, oder nicht?«
»Ist Ihr Mann Polizist?«, fragte Felix.
»Exmann. Nein, Ingenieur. Also, was ich sagen wollte, wegen meinem Schwager. So wie die Frau Jensen mit ihrem Schwager umgegangen ist, als die hier waren, um die Wohnung auszuräumen. Also ich weiß jetzt nicht, wie ich das ausdrücken soll. Das war mehr als ein Schwager. Das war so nett, das war fast schon … innig. So behandelt man seine Verwandten normalerweise nicht. Angeheiratet noch dazu. Und wie ich jetzt bei meinem Schwager war und ihn mit meiner Schwester gesehen habe, da dachte ich mir, eigentlich wäre meine Schwester die Schwägerin.«
»Wollen Sie damit ausdrücken, dass Frau Jensen ein Verhältnis mit ihrem Schwager haben könnte?«, fragte Felix.
»Also das haben jetzt Sie gesagt«, nickte Frau Wolfram.
Felix dachte an den Schwager von Frau Jensen, den er in der Rechtsmedizin kurz gesehen hatte. Es war ihm nichts aufgefallen an ihm, er sah seinem Bruder nicht ähnlich, wobei es immer schwierig war, einen Toten mit einem Lebenden zu vergleichen. Dann fiel ihm Franza ein. War da nicht auch etwas gewesen … Ja! Sie hatte die Jensen und den Schwager »zufällig« getroffen und war ihnen wohl eine Weile gefolgt. Sie hatte auch so eine Andeutung gemacht, und er hatte sie zurechtgewiesen.
»Vielleicht sieht man es sogar auf dem Foto«, sagte Frau Jensen und fummelte an ihrem Handy herum. »Das habe ich noch gemacht, bevor die wieder gefahren sind, nach dem Kaffee.«
Sie reichte Felix ihr Handy. Der warf einen kurzen Blick darauf, stockte. »Wer ist das?«, fragte er Frau Wolfram.
»Die Frau Jensen und ihr Schwager«, erwiderte sie.
»Das ist nicht der Schwager. Wenigstens nicht der, den ich kenne. Hatte Herr Jensen mehrere Brüder?«
Frau Wolframs Mund stand offen. »Ich weiß nicht.«
Felix entschuldigte sich und ging nach draußen, um zu telefonieren.
»Johannes! Bitte schau sofort nach, wie viele Geschwister der Jensen hat. Und ruf mich gleich an.«
»Äh, guten Morgen, Felix. Ich habe gar keinen Dienst, ich darf mit der Laura am Montag zu den Kollegen fliegen. Aber … klar mach ich das. Ich kümmere mich darum.«
»Nein, musst du nicht, ich ruf jemand anders an.«
»Du bist also wieder dran am Jägerfall?«
»Vergiss es.«
»Schon passiert!«
»Frau Wolfram, das war wirklich eine wichtige Information. Danke, dass Sie uns angerufen haben. Aber ich bin trotzdem der falsche Ansprechpartner. Ich leite das weiter an die zuständige Kollegin Lichtenstern. Sie wird sich mit Ihnen in Verbindung setzen. Können Sie mir das Foto schicken?«
»Wie geht das denn?«
»Darf ich?«, fragte Felix, nahm ihr Handy und schickte das Bild an sich und Laura. Und nach einem kurzen Zögern auch an Johannes. Dann fragte er »Was ist Ihnen noch aufgefallen? An welchen Details haben Sie Ihren Verdacht festgemacht?«
»Alles, was mir aufgefallen ist, habe ich Ihnen erzählt. Aber wenn mir doch noch etwas einfällt, dann kommen Sie noch mal?«
»Leider nein, Frau Wolfram. Ich arbeite jetzt an einem anderen Fall.«
»Das ist wirklich schade.«
»Ja. Das finde ich auch«, erwiderte Felix.
60
Als ich, mit einem Kofferraum voller Sportklamotten gerüstet für alle Eventualitäten, um die Mittagszeit auf die A96 Richtung Lindau abbog, fühlte ich mich großartig. Es war viel Verkehr an diesem altweibersommerlichen Samstagmittag, die Erholungssuchenden zog es in den Speckgürtel der Stadt. Doch während ein Großteil der Ausflügler am Ammersee die Autobahn verließ, fuhr ich weiter, über Landsberg hinaus immer weiter bis zur Abfahrt auf die B12 Richtung Kempten, und die Berge wurden deutlicher, breiter und höher. Kurz vor meinem Ziel kurvte ich einen kleinen Pass hoch – und dann war ich angekommen in Balderschwang, 1044 Meter über dem Meeresspiegel. Eine Hauptstraße, eine Kirche, ein paar Hotels und diesmal, ich konnte mein Glück kaum fassen, logierte ich nicht am Ende der Straße irgendwo unter ferner liefen, wie das in meinem Urlaub sonst für gewöhnlich war, sondern prominent mittendrin im imposanten Schmuckstück Alpin Lodge & Spa Hubertus. An der Rezeption wurde ich, nein, wir, herzlich begrüßt, auch Flipper wurde vom Personal mit Namen angesprochen, ein junger
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