Sonst kommt dich der Jäger holen
sie vor Felix beschützte. »Was wollen Sie denn von dem Fräulein Franza? Neulich waren schon zwei Männer da und haben nach ihr gefragt.«
Felix hielt der alten Dame seinen Ausweis vors Gesicht.
»So was haben die mir auch gezeigt. Aber dafür muss ich erst meine Augengläser holen.«
Sie holte die Brille und studierte den Ausweis, als wollte sie ihn auswendig lernen. Dann reichte sie ihn Felix zurück. »Und woher weiß ich jetzt, dass der echt ist?«
»Sie können bei der Polizei anrufen.«
»Wir kürzen das ab, junger Mann«, beschloss die alte Dame resolut. »Wir machen ein Quiz.«
»Bitte was?«
»Hat das Fräulein Franza ein Haustier?«
»Selbstverständlich! Das haben Sie doch vorhin sogar schon gesagt.«
»Was für ein Auto fährt sie?«
»Einen blauen Volvo, Kombi.«
»Welchem Beruf geht sie nach?«
»Sportlehrerin, also Fitnesscoach. Und Yoga. Ernährungsberaterin, Kampfsporttrainerin.«
»Was isst sie am liebsten?«
Felix zuckte mit den Schultern. »Leider weiß ich das nicht.«
»Sie dürfen nur zwei Fehler machen.«
»Wie viele Fragen?«
»Zehn.«
»Sonst?«
»Hab ich Alzheimer und weiß gar nichts mehr. Wer war der wichtigste Mensch in dem Leben von dem Fräulein Franza?«
»Sagen Sie doch bitte nicht immer Fräulein Franza. Das klingt ja furchtbar.«
»Ihr macht das gar nichts aus. Ich habe die ausdrückliche Erlaubnis. Lenken Sie nicht ab.«
Felix dachte an seine wichtigsten Menschen in der Vergangenheit, und der erste halb private Spaziergang mit Franza fiel ihm ein, damals, als er sie zum Essen eingeladen hatte, was dann wegen der aufgespießten Krähe ein so unangenehmes Ende gefunden hatte.
»Ihre Oma«, sagte er zögernd.
Franzas Nachbarin Rosina Marklstorfer nickte gnädig und stellte die nächste Frage: »Welche Farbe hat das Sofa in dem Fräulein Franza seiner Wohnung.«
»Leopard.«
»Was wünscht sie sich, und was würde auch gut zu ihrer Oma passen?«
»Das sind jetzt schon zehn Fragen.«
»Nein, das sind sieben.«
»Ich weiß es nicht.«
»Ein Motorrad natürlich.«
»Und was hat das mit der Oma zu tun?«
»Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad«, summte die alte Dame.
»Ich hätte dann auch mal ein paar Fragen«, sagte Felix.
»Später. Jetzt bin ich noch dran.«
»Also ein Motorrad«, wiederholte Felix kopfschüttelnd, weil das nämlich auch auf seiner Wunschliste ganz oben stand. Er wusste genau, was für eins es sein sollte. Aber wenn man keine Zeit zum Fahren hatte, brauchte man auch keines.
»Seit wann wohnt das Fräulein Franza hier?«
»Das weiß ich nicht, aber ich weiß, dass«, er zögerte, »das Fräulein Franza vor ein paar Monaten beinahe ausgezogen wäre und dass der Vermieter eine Terrassentür für den Flipper einbauen hat lassen.«
»Weil nämlich der Flipper immer seinen Jaguar, das ist ein sehr teures Auto, bewacht!«, strahlte Frau Marklstorfer, nestelte an der Sperrkette, zögerte. »Was ist denn geschehen im Sommer?«
»Flipper wurde entführt. Und Franza lag im Krankenhaus.«
»Ein Polizist hat ihr das Leben gerettet.«
Felix schaute zu Boden.
»Wie sah er aus, der Polizist?«, fragte Frau Marklstorfer.
»Der könnt mein Bruder sein«, sagte Felix.
Rosina Marklstorfer strahlte. »Das hab ich mir schon gedacht. Aber jetzt kommt noch die Zusatzfrage.«
»So haben wir nicht gewettet.«
»Die Spielregeln bestimme ich. Warum fragen Sie mich nach dem Fräulein Franza? Warum wissen Sie nicht selber, wo sie ist? Sie haben doch jetzt alle Handtelefone, damit Sie nicht verloren gehen.«
Felix schwieg.
Die alte Dame musterte ihn aufmerksam. Dann sagte sie. »Sie mögen das Fräulein Franza, gell. Das seh ich.« Sie schloss die Tür für einen kurzen Moment, öffnete die Sperrkette und bat Felix herein. »Die zwei, die neulich da waren, haben sie nicht gemocht.«
»Wann ist neulich?«
»Gestern.«
»Haben Sie mit denen auch ein Quiz gemacht?«
»Nein.«
»Und warum nicht?«
»Weil die nicht tauglich waren. Das habe ich gleich gemerkt. Es macht ja keinen Spaß, wenn einer gar nichts weiß.«
»Ach, und bei mir haben Sie es gemerkt?«
»Freilich.«
»Und woran?«
»Junger Mann, ich bin achtundsiebzig Jahre alt.«
So alt wie der Kreitmayer, schoss es Felix durch den Kopf.
»Da hat man genug Zeit gehabt, um zu erkennen, mit wem Quiz Spaß macht.«
»Nicht jeder hat seine Zeit genutzt«, erwiderte Felix und nahm die Einladung zum Kaffee an, obwohl er in dreißig Minuten Sinah abholen sollte. Er brauchte kein Quiz, um
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