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Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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zu wissen, dass das Ärger geben würde. Aber den gab es so oder so.
    Beim Kaffee, den Frau Marklstorfer vor dem Überbrühen in einer alten Mühle, die sie zwischen die Knie klemmte, frisch gemahlen hatte, lernte Felix das Fräulein Franza kennen. Was er erfuhr, raubte ihm mehrmals die Fassung. Nicht, dass er es ihr nicht zugetraut hätte. Es passte auch alles. Es versetzte ihm nur einen Stich, weil er es nicht von ihr erfahren hatte. Auf eine gewisse Art und Weise war er ihr noch nie so nah gekommen wie in der Wohnung der alten Dame, die vom Fräulein Franza und dem Herrn Flipper in den höchsten Tönen schwärmte. Denn das Fräulein Franza hatte ihr diese Wohnung verschafft. Vor zwei Jahren hatten sie sich kennengelernt an der Isar, wo Frau Marklstorfer jeden Tag spazieren ging. Da waren sie ins Plaudern gekommen. Damals hatte Frau Marklstorfer noch im Bereiteranger gewohnt. Aber eben im zweiten Stock, und obwohl sie ziemlich gut zu Fuß war, wurde Treppensteigen zum Problem. Ihr Mann war schon lange tot, ihre Stieftochter mit fünfundvierzig an Brustkrebs gestorben – ein Platz im städtischen Altersheim schien die einzige Alternative.
    »Aber Sie sind doch noch fit!«, hatte Franza widersprochen. »Von den Treppen dürfen Sie sich den Schneid nicht abkaufen lassen! Da brauchen Sie sportliche Nachbarn, die Sie runtertragen, oder einen Treppenlift.«
    »Doch nicht in einem Mietshaus«, hatte Frau Marklstorfer eingewendet, die schon recht mutlos geworden war, obwohl das überhaupt nicht ihre Art war. Da hatte das Fräulein Franza die Wohnungssuche in Angriff genommen. Zweimal waren sie sogar bei Terminen gewesen. Aber wer vermietet schon an eine alte Frau? Und dann hatte Franza ausziehen wollen und Frau Marklstorfer als ihre Nachmieterin vorgeschlagen. Als sie dann aber doch nicht auszog, zog die Frau Leipold aus, und Frau Marklstorfer konnte einziehen, und Franza hatte den ganzen Umzug praktisch allein gemacht. Also fast. Eines Morgens war eine Sportmannschaft aufgetaucht, »alles baumlange Riesen«, denen hatte das Fräulein Franza den Umzug als Sondertraining schmackhaft gemacht. »Hopp, hopp, hopp«, hatte sie gerufen und in die Hände geklatscht, damit keiner einschlief, und die Möbel wurden im Laufschritt ausgeladen. Sogar Flipper hatte mitgeholfen, der hatte eine rote Packtasche auf dem Rücken mit kleinen Plastikwasserflaschen drin, wo sich jeder bedienen konnte. Und als die Möbel alle in der Wohnung waren, nicht mal eine Tasse war zu Bruch gegangen, weil das fünfzig Liegestützen extra bedeutet hätte, hatte das Fräulein Franza drei Tage lang geschuftet wie ein Weltmeister und sogar die Bilder an die Wand genagelt und die Regale angebohrt. Nur zweimal hatte sie Hilfe geholt. Auch so baumlange Riesen. Für die Waschmaschine und in der Küche. Alle Lampen hatte sie selbst angeschlossen. Und jetzt kaufte das Fräulein Franza jeden Samstag die schweren Sachen ein für die Frau Marklstorfer und manchmal auch unter der Woche.
    »Aber nicht diesen Samstag?«, fragte Felix mit belegter Stimme.
    Die alte Dame schüttelte bekümmert den Kopf.
    »Und Sie haben nichts von ihr gehört?«
    »Nein.«
    »Aber sonst haben Sie sie samstags immer gesehen?«
    »Ich glaube schon. Wissen Sie, wir sind ja Nachbarinnen. Da hat man kein Recht. Aber …«
    »Sie passen ein bisschen auf, auf Ihr Fräulein Franza?«
    »Freilich.«
    »Ist Sie denn öfter mal weg über Nacht?«
    »Fragen Sie das als Polizist oder als Mann?«, wollte die kluge alte Dame wissen.
    »Das kann ich Ihnen nicht beantworten.«
    »Dann ist es ernst«, diagnostizierte Rosina Marklstorfer, riss die Augen erschrocken auf. »Ist sie in Gefahr?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Nein, sie ist nicht oft weg über Nacht. Manchmal schon, glaube ich. Aber sie kommt oft spät heim und geht früh wieder weg. Ich weiß es wirklich nicht.«
    »Was könnte sie damit meinen, wenn sie sagt: Ich bin dann mal weg?«
    »Aber das bedeutet doch nichts! Das sagt man jetzt so. Das ist modern.«
    »Verstehe.« Mit Mühe unterdrückte Felix sein Grinsen. Doch schnell wurde er wieder ernst. »Bitte, rufen Sie mich an, wenn sie sich bei Ihnen meldet. Das können Sie ihr ruhig sagen, dass Sie mir das sagen. Sie soll sich bei mir melden. Dringend.«
    »Ja, das soll sie«, sagte Frau Marklstorfer. »Und wie ist noch mal Ihr Name?«
    »Ich bin der Herr Felix.«

62
    »Wie bist du eigentlich auf mich gekommen?«, fragte ich Erika beim Abendessen, das mich regelrecht umhaute. Ein Gang nach

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