Sonst kommt dich der Jäger holen
ungehalten auf deine Einmischung reagiert. Wie willst du ihm helfen, wenn du selbst nicht weißt, wie alles zusammenhängt?«
Mir wurde heiß. Genau das war das Problem. Und ich konnte trotzdem nicht aufgeben.
»Ich frage dich als Freundin: Nimmst du Flipper bei dir auf?«
Andrea stöhnte. »Das ist Erpressung!«
»Ich weiß.«
»Und was willst du unternehmen?«
»Ich muss an den Anfang zurück. Mit Flipper an meiner Seite bin ich zu auffällig. Mir könnte ich eine Perücke mit roten Haaren aufsetzen …«
»Was redest du denn da!«
»Nicht, dass es nötig wäre. Ich will dir nur erklären, dass ich Flipper nicht verkleiden kann. Er ist zu auffällig. Deshalb kann ich ihn nicht mitnehmen.«
»Wohin?«
»Überallhin!«, stieß ich hervor, als hätte ich einen Plan. Den hatte ich aber nicht. Nur eine Ahnung. Und die Zuversicht, dass ich ohne Flipper schneller vorankommen würde. Sorgen blockieren. Auf meiner Liste standen die Brandls, Sepp Friesenegger, die weiß gekleidete Frau, die ich mal bei Maria Brandl gesehen hatte, sowie die beste Freundin von Walli. Es musste eine geben. Fast alle Frauen, die ich kannte, hatten eine. Irgendjemand von diesen Personen würde mir weiterhelfen. Denn ich dachte nicht wie ein Polizist. Ich würde den Schlüssel zu diesem Fall finden. Der lag da, wo der Hund begraben war. Und dann waren wir quitt, Felix und ich. Ich hatte ihm einen Schlüssel gestohlen, und er würde dafür einen anderen bekommen, im übertragenen Sinne. Danach würde ich mich nie, nie, nie mehr in seine Arbeit einmischen.
Andrea musterte mich neugierig, doch sie fragte nichts. Schließlich sicherte sie mir zu: »Ich nehm den Flipper. Aber nur bis Samstag.«
*
»Wir haben getan, was wir konnten, dich aus der Schusslinie zu bringen. Es hat nur zum Teil geklappt. Deshalb musst du heute nach Moskau fliegen.« Der V-Mann-Führer griff in seine Jackentasche, zog ein längliches Kuvert heraus und reichte es Tichow. »Dein Ticket. Du hast noch fünf Stunden.«
Tichow ignorierte das Kuvert und beobachtete die Köche mit den hohen weißen Mützen, die in der Feinkostabteilung des Edelkaufhauses Eier und Steaks nach den Wünschen ihrer Gäste zubereiteten. Draußen regnete es in Strömen, was die Einkaufslaune der Kunden nur zu steigern schien, als könnten sie die Stadt trocken kaufen, und um die Beine mancher wogten Tüten wie Fender bei schwappender See.
»Leo, ich kann nicht weg! Morgen ist das Treffen! Ich muss heute einen Erfolg melden.«
»Du kannst diesen Erfolg nicht melden, und das weißt du genau. Als V-Mann wirst du keine Straftat begehen. Du wirst die Frau mit dem Hund nicht töten!«
»Aber ich kann nicht raus aus der Nummer. Was soll das! Willst du mich umbringen?«
»Eben nicht. Dein Sohn ist krank.«
»Miro?« Tichow ballte seine rechte Faust. Der sechsjährige Junge lebte bei seiner Mutter in Moskau und litt an Mukoviszidose. Tichow besuchte Mutter und Sohn regelmäßig und unterstützte sie mit stattlichen Beträgen – was ihn nicht daran hinderte, in Deutschland drei Freundinnen zu unterhalten. Eine in Frankfurt, eine in Hamburg, eine in München. Keine wusste von der anderen, wie das BKA wusste.
»Miro geht es gut«, sagte Leo beschwichtigend, was Tichow mittlerweile selbst begriffen hatte. »Dennoch wurde er«, Leo schaute auf die Uhr, »vor drei Stunden in ein Krankenhaus eingeliefert. Davon hast du nun erfahren, und deshalb musst du zu deinem Sohn. In zwei Tagen kommst du zurück. Miro wird dann entlassen sein.«
»Leo! Ich kann nicht weg!«
»Natürlich kannst du weg, wenn es um Miro geht. Du wirst deinen Leuten erklären, dass du den Auftrag sofort nach deiner Rückkehr erledigst. Du wirst keinen Zweifel daran lassen, dass du selbst das tun wirst – sie dürfen auf keinen Fall einen anderen Mann damit beauftragen.«
»Und was mache ich dann mit der Frau mit dem Chund? In zwei Tagen? Ich chabe den Auftrag, sie verschwinden zu lassen.«
»Das wird dann nicht mehr nötig sein.«
Tichow musterte seinen V-Mann-Führer nachdenklich. »Du willst mich ohnehin draußen haben. Weil morgen das Treffen ist?«
»Wir legen in der Tat Wert darauf, dass du dich morgen an einem anderen Ort befindest. Dass dies nun zu einer Überschneidung mit deinem Auftrag führt, ist Zufall.«
»Übernehmt ihr das?«
»Wir sind nicht der Комитет государственной безопасности , KGB .«
Tichow versuchte ein Grinsen. Es schmierte ab.
Leo reichte ihm das Kuvert erneut.
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