Sonst kommt dich der Jäger holen
ich.
»Garrett heißt er, David Garrett, jetzt hab ich’s. Die Walli hat Hundesport gemacht. Da war sie spitzenklasse. Die haben viel gewonnen, sie und die Laika. Das hat man gar nicht geglaubt, weil die Laika ja nicht gefolgt hat. Nur auf dem Platz. Das hätten Sie mal sehen sollen. Das war ein blindes Verständnis zwischen den beiden.«
»Da in dem Grab …«
»Da ist die Laika drin.«
Ich lehnte mich zurück. Alles ganz entspannt. Man musste nur ein bisschen Geduld haben, dann klärten sich die Dinge wie von selbst. Wobei diese letzte Ruhestätte wahrscheinlich ebenfalls gegen das Gesetz verstieß. Man durfte vielleicht einen Hamster begraben im eigenen Garten oder einen Wellensittich. Aber einen Hund?
»Die Laika war mit im Auto bei dem Unfall?«, fragte ich.
»Ja. Aber die Laika hat den Unfall überlebt. Drei Wochen war sie in Weilheim in der Tierklinik. Die haben sie zusammengeflickt, da ist überhaupt nichts zurückgeblieben, nicht mal ein Humpeln.«
»Ja, aber … Warum dann das Grab? War sie denn schon älter?«
»Vier Jahre«, sagte Frau Brandl und klang zum ersten Mal bitter. »Sie wurde erschossen.«
»Was?« Ich fuhr zusammen. Also doch kein Angsteinjager. Also doch ein toter Hund. »Ich bin gewarnt worden! Aber ich habe es nicht glauben wollen. Jäger sagen so was zur Abschreckung. Neulich war ich hier schon mal spazieren, und ein Jogger hat mir geraten, meinen Hund nicht frei laufen zu lassen.«
»Das war bestimmt der Friesenegger Sepp. Das kann gar kein anderer nicht gewesen sein, sonst joggt hier kein Hiesiger nicht. Hat er Ihnen auch gesagt, wer den Hund erschossen hat?«, fragte Maria Brandl. Es klang fast ein wenig lauernd.
»Weiß man das denn?«
»Ja, das weiß man.«
»Und wie ist der Täter bestraft worden?«
»Gar nicht.«
»Aber das geht doch nicht!«
»Wenn man die richtigen Beziehungen hat, geht hier alles. Jetzt muss ich leider weg. Ich arbeite im Hospiz. Ehrenamtlich. Aber besuchen Sie mich gern wieder einmal, wenn Sie in der Gegend sind. Das würde mich freuen. Einen Kuchen und einen Kaffee kriegen Sie bei mir immer. Und für ihn«, sie wies auf Flipper, »hab ich natürlich auch was in petto.«
Überschwänglich wedelnd versprach Flipper, dass wir beizeiten auf die Einladung zurückkommen würden.
19
Liebeskummer ist ungefähr wie bei lebendigem Leibe auf einen Grill gelegt, als Vegetarierin direkt neben eine arme Sau. In drei Worten: Liebeskummer ist scheiße. Will keiner haben. Hatte ich auch nicht. Bloß schlechte Laune, Sonntagabend allein daheim. Flipper beobachtete, wie ich durch die Wohnung lief. Sein Starren nervte mich. Ich stieß die Terrassentür für ihn auf, er trottete raus, ich schloss die Tür, er wollte wieder rein. Diese Tür hatte mein Vermieter nachträglich einbauen lassen, obwohl Tierhaltung laut Mietvertrag verboten war. Herr Kammerer hatte auch seine Eigenbedarfskündigung zurückgezogen, als ihm meine Freundin Andrea mitteilte, dass ich Opfer eines Gewaltverbrechens geworden war, das seinen Verlauf nahm, nachdem er mir die Wohnung gekündigt hatte. Seitdem genoss ich seinen besonderen Schutz.
In unserem Viertel brannten nur noch wenige Lichter in den Häusern. Bei meiner letzten Runde mit Flipper begegnete mir am Bereiteranger Frau Haimerl mit ihrem Rehpinscherrüden Monster, den es regelmäßig rasend machte, dass Flipper ihn nicht ernstnahm. Der beachtete den Zwerg gar nicht, was Frau Haimerl als Flucht interpretierte. Wir wechselten die üblichen Worte, die Hundebesitzer beim Gassi so sagen. Je nach Tageszeit gibt es verschiedene Textbausteine, und nun war der für die Nacht dran. Dass man sich doch noch einmal aufraffen müsse, aber es sei ja auch schön draußen. Er unterschied sich nur unwesentlich von dem morgendlichen Textbaustein, dass man habe aufstehen müssen, aber es sei ja auch schön draußen. »Ja, schön ist es draußen«, sagte ich, die ich mich eigentlich nie aufraffen musste. An der Zeppelinstraße sah ich auf kleinen Balkonen neben großen Schüsseln zwei Gestalten an aufglimmenden Stängeln hängen, einmal links oben, einmal rechts unten. Ein Husten fiel auf die Straße. Rauchen war ungesund. Manchmal endete es tödlich.
20
Felix zündete sich eine Zigarette an und trat hinaus auf seinen Balkon. Er musste achtgeben, nicht wieder mit dem Rauchen anzufangen. Seit dem Scheißfall hatte er hin und wieder eine geraucht, immer nur eine, nachts auf dem Balkon. Es war ein lauer Sonntagabend, eher augustig als septembrig, und
Weitere Kostenlose Bücher