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Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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sie verstärkt innerhalb der feinen Jagdgesellschaft ermittelt, die erst alle unisono wahnsinnig betroffen gewesen waren. In den Einzelgesprächen hatten sie dann ausgepackt, was sie schon immer mal loswerden wollten, was sich in den letzten zwanzig, dreißig, vierzig Jahren so angestaut hatte an Neid, Missgunst, Eifersucht. Die achtzehn Männer und vier Frauen hatten eine Menge zu erzählen gehabt, wer wem den Bock weggeschossen, zu viel gesoffen und eine Freundin hatte. Auf der Suche nach einem Motiv hatten sie vieles davon überprüft und das hatte Zeit gefressen und Verwirrung gestiftet. Und dann noch die von oben verordneten Scheuklappen … Wie soll ich frei denken, wenn ich nicht nach rechts und links schauen darf? Auch wenn da vielleicht gar nichts ist. Felix nahm ein Blatt Papier und zeichnete mit schnellen Strichen eine Maschinenpistole darauf. Pinnte das Blatt zu den Fakten. Irgendwie fühlte er sich jetzt besser. So gut, dass er sogar grinsen konnte. Obwohl die Skorpion keine Präzisionswaffe war, mit der man aus größerer Entfernung gezielt einen einzelnen Schuss abschießen würde, gehörte sie für ihn mit in das Bild. Auch wenn es sie laut den Verdeckten gar nicht gab.
    Felix blieb lange vor der Tafel stehen und zog Linien mit seinen Augen von der Skorpion zu den anderen Details. Jäger schossen nicht mit Maschinenpistolen … oder? Zudem war die Skorpion in Deutschland verboten, sie feuerte zehnmal schneller als ein MG . Wenn stimmte, was er im Netz recherchiert hatte, war der italienische Politiker Aldo Moro durch eine Skorpion getötet worden. Steckte gar der Vatikan dahinter, hier am Heiligen Berg von Andechs? Als Felix die Polizeiinspektion Fürstenfeldbruck verließ, war es Zeit für das erste Morgengebet.

18
    Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die merkwürdige Villa mit dem hohen Zaun und den Kameras kein beliebtes Gesprächsthema in dem kleinen Ort am Wilden Hund sein sollte. Es waren gerade mal eine Handvoll Häuser, die sich malerisch um das Ufer eines kleinen Weihers scharten, dahinter begann der für den Durchfahrtsverkehr gesperrte Waldweg, von dem der Pfad mit den tiefen Autospuren zu der Villa führte.
    Flipper sprang voller Vorfreude auf ein langes Samstagsnachmittagsgassi aus dem Volvo. Während ich ihm sein Halsband anlegte, instruierte ich ihn. »Wir müssen Kontakt zu den Anwohnern herstellen. Versuch, irgendwo reinzukommen. Aber keine Fehler! Kein Katzenfutter, kein Bellen, na, du weißt schon.«
    Flipper wusste, wie ich seinem begeisterten Wedeln entnahm.
    »Na, dann los!«, schickte ich ihn auf die Fährte.
    Zehn Minuten später waren wir drin. Allerdings nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Flipper saß mit angehobener rechter Pfote in einem Garten – vor einem Grab. Wenn ich das Schluchzen der Frau nicht gehört hätte, wäre ich an dem Grundstück vorbeigelaufen; der Hügel mit dem Kreuz war von der Straße aus nicht sichtbar. Aber während ich noch versucht hatte, über den Zaun zu spähen, war Flipper schon jenseits.
    »Entschuldigung?«, fragte ich und ging den mit rötlichen Steinen gepflasterten Weg von der Gartenpforte aus auf die Frau zu. Gerade so viel Unkraut, dass es romantisch anmutete, spross in den Ritzen. Die Frau hielt eine Hand auf den Mund gepresst, stand wie eine Statue zwischen einem prachtvollen Herbstblumenbeet, dem Grabhügel und dem malerischen Haus mit den grünen Fensterläden, und starrte Flipper an wie eine Erscheinung. Ihre Schultern zuckten. Ich schätzte sie auf Ende fünfzig. Sie war mittelgroß, mitteldick, mittelblond und mittelattraktiv. In ihrer freien Hand hielt sie ein kleines Messer umkrampft, ihre Finger vom Zwetschgenaufschneiden bräunlich verfärbt.
    »Ist der echt?«, flüsterte sie, ohne sich zu wundern, woher ich kam. Sie wartete keine Antwort ab. »Das gibt’s doch gar nicht! Das schaut aus, als würd er eine Andacht halten. Was tut er da?«
    Ich konnte schlecht sagen, dass Flipper eine Mission erfüllte. Außerdem kam mir das alles selbst ein bisschen unheimlich vor. Ein Grab im Garten, davor ein betender Hund. Die Ruhestatt war im Doppelbettformat aufgeschüttet, und als ich das Spielzeug entdeckte, das die Trauerstelle umrandete, wurde mir eng in der Kehle. Man durfte kein Kind im Garten begraben, man durfte überhaupt keine Menschen in seinem Garten begraben, sicher machten das manche Leute, aber eher heimlich, und aus nachvollziehbaren Gründen verzichteten die meisten auf Grabschmuck.
    Flipper drehte den Kopf

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