Sonst kommt dich der Jäger holen
aber gewiss weiß ich das nicht.«
Johannes schaute Hilfe suchend zu Felix. Der reagierte nicht darauf, sondern beobachte Franz Brandl regungslos.
»Und Ihre Frau?«, hakte Johannes nach.
»Die hat ein Ehrenamt und war unterwegs.«
»Wo?«
»Immer noch im Hospiz.«
Felix wischte über das Aufnahmegerät, als wolle er sich vergewissern, dass es funktionierte. Dann sagte er mit ruhiger Stimme und so, als würden sie nicht schon zwanzig Minuten zusammensitzen: »Herr Brandl, da haben Sie ein schlimmes Jahr hinter sich.«
Johannes musterte Felix irritiert.
»Ja«, sagte Franz Brandl.
»Und wie geht es Ihnen jetzt?«
Zum ersten Mal schaute Franz Brandl Felix richtig an. Forschend, abwartend, und für einen Moment streifte Felix ein kalter Hauch.
»Nichts ist, wie es mal war, und nix wird, wie es mal war, und nix ist mehr, wie es sich gehört.«
»Ihre Kollegen sagen, man merkt Ihnen nicht viel an.«
»Die können nichts dafür. Und außerdem hilft die Arbeit.«
Felix wandte sich an Johannes. »Herrn Brandls Tochter ist vor einem Jahr tödlich verunglückt.«
»Oh«, machte Johannes und überlegte fieberhaft, weshalb er das nicht wusste, ob er das wissen müsste oder ob er es gar nicht wissen konnte.
»Am siebzehnten Oktober«, ergänzte Franz Brandl, als wäre das wichtig.
»Dann haben Sie das erste Jahr bald geschafft.«
»Sie wollen mir jetzt aber nicht weismachen, dass es dann leichter wird?«, höhnte Franz Brandl.
»Man hört, dass es leichter wird, Jahr für Jahr«, erwiderte Felix.
»Nicht wenn ein Kind stirbt. Haben Sie ein Kind?«
»Eine Tochter.«
»Wie alt?«
»Drei.«
»Und wenn Sie weg wär?«
Felix schwieg.
»Nichts ist mehr, wie es sich gehört, und nichts wird mehr, wie es war.«
»Ja«, sagte Felix. »Und wie ist es jetzt bei Ihnen in der Firma ohne den Gerd Jensen?«
»Sehr schön«, sagte Franz Brandl, und dann fingen sie noch zweimal von vorne an.
Und als Franz Brandl gegangen war, wollte Johannes etwas sagen, aber Felix winkte ab. »Wir haben nichts gegen ihn.«
»Er hat kein Alibi. Ein Hund ist kein Zeuge.«
»O doch. Er kann bloß nicht reden«, widersprach Felix. »Wir haben nur Brandls Erleichterung, dass der Tote tot ist. Damit macht er sich nicht strafbar.«
»Aber warum macht ihn das so glücklich?«
»Glücklich? Nein, Johannes, ich glaub, glücklich wird der Mann nicht mehr.«
»Was steckt dann dahinter? Wieso hat er etwas gegen den Toten?«
»Weil er ein besserer Schütze war, weil er mehr verdient, besseren Umsatz gemacht hat, weil er besser ausgesehen oder hochdeutsch geredet hat, weil die Chemie nicht gestimmt hat oder wegen irgendeiner Frauengeschichte, ich weiß es nicht.«
»Aber müsste ihm das nicht wurscht gewesen sein, wenn seine Tochter tot ist?«
»Ich kann nicht reinschauen in ihn. Wir werden jetzt mal neue Saiten aufziehen bei einigen Herrschaften.«
»Jawoll!« Johannes setzt sich kerzengerade hin.
»Ich hab ein paar Jobs für dich«, kündigte Felix an. »Erstens kriegst du raus, wie der Brandl an den Leichnam von seinem Hund gekommen ist.«
»Äh, wie?«
»Die Tochter, Valerie Brandl, ist bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, ihr Hund war mit im Wagen. Ich will wissen, wer ihm den Hund gegeben hat. Die haben bei sich im Garten ein Grab, da kriegst du das kalte Grausen. Da ist der Hund drin. Für mich schaut das so aus, als ginge es da um die Tochter. Ich glaube nicht, dass so ein Grab im Garten erlaubt ist. In deinem eigenen Garten darfst du vielleicht einen Hamster begraben oder einen Wellensittich. Aber einen Hund?«
»Okay. Herausfinden, wer ihm den Kadaver gegeben hat.«
»Vielleicht kriegen wir ihn leichter, wenn wir drohen, einem anderen Schwierigkeiten zu machen.«
Johannes riss die Augen auf.
»Nur so ein Gefühl«, sagte Felix. »Ich glaube nicht, dass er derjenige war, der im Baum gesessen und geschossen hat. Aber ich glaube auch nicht, dass er alles gesagt hat, was er sagen könnte. Im Großen und Ganzen macht mir der Brandl den Eindruck, er wäre ein aufrechter Kerl.«
»Also ist er prinzipiell nicht verdächtig?«
»Auch ein aufrechter Kerl kann einen Mord begehen, so lange er glaubt, dass er im Recht ist. Das kommt sogar ziemlich oft vor. Das sind dann solche, die dir erklären, dass sie die Welt vom Bösen befreit haben, und du bist jetzt schuld, wenn das Böse zurückkehrt.«
Johannes hing an Felix’ Lippen.
»Und wenn dieser kleine Appell an Brandls Ehrgefühl nicht funktioniert, können wir ihm noch
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