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Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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wissen?«
    »Haben Sie viele flüchtige Bekannte?«
    »Nein.«
    »Wie oft sehen Sie jemanden in der Regel, den Sie nur flüchtig kennen?«
    »Da gibt es keine Regel, sonst wäre es ja nicht flüchtig.«
    »Bitte versuchen Sie sich das Haus in Erinnerung zu rufen. Das Tor stand offen. Was haben Sie gesehen?«
    »Nichts.«
    »Und beim ersten Mal, als Sie am Haus waren? Sind Sie da um das Grundstück gegangen?«
    »Ich habe doch vorhin schon gesagt …«
    »Was haben Sie gesehen?« – »Wer hat Sie gesehen?« – »Mit wem haben Sie gesprochen?« – »Ist Ihnen irgendetwas Außergewöhnliches aufgefallen?« – »Woran erinnern Sie sich?« – »Haben Sie irgendwelche Vermutungen bezüglich des Hanses?« – »Was verstehen Sie unter mittelgroß, mittelalt, mitteldick?« – »Können Sie das präzisieren?« – »Ich will jedes Detail wissen.« – »Um wie viel Uhr waren Sie dort?« – »Von wann bis wann genau?«
    Eine Stunde später hatte ich das Gefühl, man hätte mir jede Hirnwindung einzeln ausgewrungen. Ich war fix und fertig, völlig ausgelaugt. Ein Marathon war ein Witz gegen diese Schikane. Wie oft hatten sie mich dasselbe gefragt. Zehnmal? Hundertmal? Pingpong auf dem Glatteis hatten sie mit mir gespielt; der Ball, das war ich.
    Ich riss alle Fenster auf und sah gerade noch, wie die Hoftür sich hinter dem Braunen schloss. Auf dem Tisch lag ein Zettel mit einer Telefonnummer, wo ich anrufen sollte, wenn mir noch etwas einfiel. »Wenn Ihnen nichts einfällt, Frau Fischer, kommen wir in ein, zwei Tagen noch einmal, um zu hören, ob Ihnen doch etwas eingefallen ist.«
    »Manchmal ist eine Erinnerung ein bisschen träge … ein Erfahrungswert.«
    »Und bis dahin – kleiner Tipp unter Freunden: Gehen Sie dort nicht mehr spazieren. Meiden Sie besser die Gegend. Haben Sie das verstanden?«
    Ich nickte.
    »Es ist zu Ihrer eigenen Sicherheit«, sagte der Braune.
    »Nur zu Ihrem Besten«, echote der Blonde.
    Ich trank ein großes Glas Wasser. Dann setzte ich mich neben Flipper und versuchte mich zu beruhigen. Das war eine Situation, auf die war ich weder in meiner Schulzeit noch in meinem Sportstudium vorbereitet worden. Dass die mich nach Lust und Laune eine Stunde ausfragen konnten. Ich suchte die Telefonnummer der Polizeiinspektion im Hasenbergl, das erschien mir weit genug weg, und erkundigte mich dort, wie ich verifizieren könnte, ob jemand, der behauptet hätte, von dort zu kommen, tatsächlich zum BKA gehöre. »Indem Sie da anrufen«, sagte mein Gesprächspartner. Das machte ich, wurde dreimal erfolgreich verbunden, obwohl es immerhin Freitag gegen fünf war, und nach den Namen der Herren gefragt. Ich erinnerte mich nur bruchstückhaft an einen. Bis mir beide bestätigt wurden. Treffer.
    Ich drückte den roten Knopf. Flipper beobachtete mich aufmerksam. Ich legte das Telefon auf den Tisch. Flipper machte den Hals lang und schnupperte. Alles, was auf dem Tisch lag, war streng zungen- und schnupperverboten.
    »Du meinst?«, fragte ich ihn.
    Flipper zog seinen Hals zurück und setzte sich manierlich neben den Kühlschrank, von wo aus er mich weiterhin beobachtete. Ich wiederum beobachtete mein Telefon, und je länger ich es anstarrte, desto klarer erschien mir alles. Von außen war ihm nichts anzusehen. Wie bei einem Atomkraftwerk. »Nur mal angenommen«, sagte ich zu Flipper, »unser Telefon wird abgehört.«
    Er spitzte die Ohren. Vor Schreck legte ich mir die rechte Hand über den Mund. Und wenn es nicht nur das Telefon war? Konnten sie Wanzen in meiner Wohnung versteckt haben? Ich winkte Flipper nah zu mir und flüsterte »Such!« in sein Ohr, doch das war ihm nicht konkret genug. Abwartend schaute er mich an. »Such die Wanze«, brachte natürlich nichts, wahrscheinlich roch eine Bettwanze intensiver, doch ich machte es trotzdem, ja ich wusste nicht mal, wie so ein Abhörteil aussah. Vielleicht wie eine runde Mikrobatterie? So klappte es manchmal, indem ich mich auf einen Gegenstand konzentrierte, brachte Flipper ihn, das hatte er schon mehrfach eindrücklich bewiesen, einmal sogar bei Felix. Auf diese Art hatte er die Tatwaffe im Hochsitzfall gefunden. Drehte ich jetzt durch? Es sah ganz danach aus. Oder … hatte ich nur den richtigen Riecher? Immerhin hatten sie mich ohne mein Wissen fotografiert. Wenn sie mich beobachteten: Warum hatten sie mir bei dem Überfall nicht geholfen? Wie war das mit dieser erschossenen Polizistin, bei deren Tod angeblich auch Mitarbeiter des Verfassungsschutzes anwesend

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