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Sophia oder Krieg auf See

Sophia oder Krieg auf See

Titel: Sophia oder Krieg auf See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Braband
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die gleiche Idee. »Erzählt mir etwas von Euch, Eure Durchlaucht«, bat er sanft und drehte sich wieder zu der Herzogin. »Nenn mich Sophia, bitte«, ersuchte sie ihn lachend, musste dann aber einschränken, »zumindest, wenn wir unter uns sind«. Jonathan erkannte das Privileg und fühlte sich geschmeichelt. »Erzähl mir was von dir, Sophia«.
    Beide sahen sich an. Lange. Etwas zu lange. Weder bei Jonathan noch bei Sophia hätte man Verblüffung erwarten können, wäre in diesem Augenblick ein Keuschheitsengel in einem rosa Wölkchen hochgepufft, um vorwurfsvoll die Engelsärmchen in die Hüften zu stemmen.
    »Na ja«, antwortete Sophia endlich und grinste, »ich bin die Herzogin von Mecklenburg«. Sie zuckte die Achseln und Jonathan lachte. »Gut. Du bist doch sicher verheiratet oder?«, fragte Jonathan weiter und der Keuschheitsengel hätte sich grunzend mit der Hand auf die Stirn geklatscht und wütend seine dämliche rosa Puffwolke zerrissen, so impertinent 84 war die Frage. Das merkte auch Jonathan und wurde prompt rot. Sophia sah die gesunde Farbe in seinem Gesicht und musste kichern. Es war erstaunlich, wie wenig Ahnung Jonathan von den gesellschaftlichen Gepflogenheiten und Zwängen ihres Standes hatte. Als sich genau diese Zwänge wieder in ihr Bewusstsein drängelten, verging ihr das Lachen.
    Es war nur zu gut, dass der hübsche junge Schiffbrüchige von weit, weit her kam. So war es der Herzogin möglich, seinen gesellschaftlichen Status im Dunkeln zu belassen. Denn selbst als wohlhabender Kaufmannssohn wäre Jonathan nicht mehr als ein freier Bürger. Zu wenig, für den Umgang mit einer Herzogin.
    »Ja, natürlich«, erwiderte Sophia ernst und wahrheitsgemäß die Frage nach ihrem Familienstand. »Ui«, entschuldigte sich Jonathan und spürte immer noch die Hitze in seinem Gesicht, »das ist wohl kein gutes Thema«. Aber Sophia war schon wieder bestens gelaunt.
    »Setzen wir uns?«, schlug Jonathan vor, obwohl weit und breit keine Sitzgelegenheit zu sehen war. Sophia blickte sich um. Das Wiesenquadrat gleich neben ihnen tat’s. Sie ließ sich in das Gras fallen und gluckste. Jonathan tat es ihr nach, inklusive Gluckser, und beide lagen auf der Wiese.
    Eine weitere Patrouille kam vorbeigeritten. Die beiden Männer waren professionell genug, außer der obligatorischen Verbeugung ihre Herrin weitgehend zu ignorieren.
    »Natürlich bin ich verheiratet, Jonathan«, knüpfte Sophia an die vorletzte Frage an. »Wir feiern dieses Jahr unseren zehnjährigen Hochzeitstag«. Jonathan wünschte sich einen Krug Wein, dann hätte er jetzt einen großen Schluck überrascht herausprusten können. So blieb ihm nur die langweiligere Variante mit dem offenen Mund und dem dämlichen Gesichtsausdruck. »Ich habe den Herzog geheiratet, als ich neun Jahre alt war. Er war sechzehn«.
    Jonathan sah Sophia lange an. Sie lächelte. Aber hinter diesem warmen Lächeln lugte kaum sichtbar ein Zipfelchen Schmerz hervor, der den jungen Giles sprachlos machte. Mehr oder weniger. »Aber… wie…«, stammelte er, »was ist, wenn man… den anderen gar nicht… ich meine…«. Jonathan spielte mit dem Gedanken, ob er den geheimnisvollen, fremden Schmerzzipfel nicht einfach packen könnte, ihn herausziehen aus Sophias Gesicht, auf den Boden werfen, darauf rumtrampeln und laut »Ha! Ich hab’ dich!« schreien.
    Darum überraschte es Jonathan, dass sich Sophia köstlich amüsierte. »Du hast wirklich keine Ahnung von Politik, mein lieber Jonathan«, fing sie an zu erklären, »in unseren Kreisen werden Hochzeiten aus taktischen Gründen geschlossen, nicht weil man sich liebt. Die Liebe kommt später«.
    Aber da trat der Schmerzzipfel mit einem tollen Trick auf den Plan: Er stellte dem Amüsement ein Bein und schubste es brutal zu Boden. Sophias Lächeln verschwand.
    Manchmal erwischte die Liebe tatsächlich noch die abreisende Hochzeitskutsche. »Manchmal aber auch nicht«, resümierte die Herzogin leise.

    84 Anmaßend, herausfordernd frech

17 Eine Stunde dauerte die Sitzung in der alten Kathedrale nun schon und jeder Lagebericht schien den vorhergehenden noch an der Menge auslösender Euphorie überbieten zu wollen. Rund zweihundert führende Piraten hatten sich in der riesigen Kirche versammelt, die nun schon seit einigen Wochen als Stures Hauptquartier diente. Gründe dafür waren nicht nur die beeindruckenden Ausmaße des Gebäudes und das durch große bunte Fensterfronten scheinende, angenehme Licht. Auch nicht die Tatsache, dass

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