Sophia oder Krieg auf See

vortreffliche Zornesfalte.
    »Das haben wir doch zu genüge, mein Kind«, sagte Jagger müde und seine Stimme war so bitter und kraftlos, dass Franck fürchtete, der Magistrat könnte einfach aus dem Fenster kippen. »Was ist mit den anderen Städten der Liga?« ließ sich Charlotte nicht beirren, »die müssen doch etwas dagegen tun, dass ihre eigenen Schiffe Boot für Boot auf dem Meeresgrund landen«.
    Endlich nahm Jagger den Blick von der Katastrophe unter ihm und sah seine Tochter an. Sein Lächeln war so säuerlich, dass eine ganze Baumernte Zitronen vor Neid rot angelaufen wäre.
    »Die Hanse ist mächtig, aber sie ist auch langsam. Bis alle Städte gemeinsam handeln, haben wir hier so viele Piraten, dass auch die Liga nichts mehr unternehmen kann«. »Dann müsste man den Herren vielleicht mal ins Gesitze treten«, erwiderte Charlotte ihrerseits in säuerlich-perfektem Tonfall, der jede der erwähnten Zitrusfrüchte glatt in den Freitod getrieben hätte, insbesondere, wenn diese an schweren Minderwertigkeitskomplexen litt. Was bei Zitronen häufiger vorkam, als man gemein hin vermutet.
    »Nein, nein, nein«, pieps-wimmerte Franck in die Unterhaltung, »viel schlimmer ist doch, dass es genug Ratsherren gibt, die unser schönes Visby eher als Konkurrenten sehen, als ein Mitglied der Liga«. Damit hatte Franck leider verdammt recht und seine Bemerkung nahm nicht nur Charlotte für einen Augenblick die Luft aus den Segeln, sondern brachte den Magistraten auch dazu, wieder depressiv aus dem Fenster zu starren.
    »Was ist mit der Königin?«, klopfte Charlotte eine weitere Alternative ab. »Die leckt noch ihre Wunden«, monotonisierte Jagger vor sich hin. »Sie wird kaum ihr Reich entblößen, um uns zu helfen«. »Und darf ich daran erinnern«, zirpte Franck, und Charlotte wollte ihm eigentlich gerade zu verstehen geben, dass er nicht durfte, »dass Margaretes Vater vor 40 Jahren auch nicht gerade als unser Freund gekommen ist. Die halbe Landbevölkerung hat er abgeschlachtet, schrecklich«. Franck fuchtelte ungeschickt mit den Ärmchen und Charlotte hatte ernsthaft Sorge, dass der Ratsherr sich mit seinen eigenen Extremitäten verletzen könnte. »Ich habe von der Stadtmauer aus zugesehen«, setzte Franck seine unerwünschte Geschichtsstunde fort, bemerkte aber, auf welch dünnes Eis er sich gewagt hatte. »Wir haben alle zugesehen«, piepste er korrigierend, und entschied sich spontan und zum Wohle allgemeiner geistiger Gesundheit lieber den Mund zu halten.
    »Es muss doch jemanden geben, der uns hilft«, wollte Charlotte nicht locker lassen. »Der Papst. Die Ordensritter. Der Kaiser. Der englische König«. Sie presste die Lippen zusammen und suchte verzweifelt nach weiteren Kandidaten. Ihr Vater schloss die Augen. »Die sind entweder zu schwach oder haben ihr eigenes Kreuz zu tragen, Charlotte«, brachte Jagger mühsam hervor.
    Wieder schlug Charlotte auf den Tisch und wieder machte Franck einen Hüpfer. »Mir reicht’s, Vater!« rief sie und sprang auf. Franck nahm Deckungshaltung ein. »Wenn ihr nichts unternehmen wollt«, tat die junge Frau ihren soeben gefassten Entschluss kund, »dann werde ich eben mit den Herrschaften da unten reden!«.
    Charlotte stürmte aus dem Zimmer und Jagger trottete ihr kraftlos hinterher. »Charlotte!« flehte er vergeblich, aber seine Tochter war schon im Treppenhaus.
    »Oh weih, oh weih«, jaulte Franck, der endlich wieder die Sprache gefunden hatte, »das ist alles eine große Katastrophe, was für eine Katastrophe. Das ist die Strafe des Herrn für die überhöhten Salzpreise 1382«. Franck blickte wieder geduckten Hauptes nach oben. »Und ich habe noch gesagt, nicht das Salz, oh Herr, habe ich selbst gesagt, lasst uns das nicht ausnutzen, hab… ich…«. Er verstummte.
    Es war schon längst niemand mehr im Zimmer, der Zeuge seiner Abbitte hätte sein können und Gott, da war sich Franck sicher, hatte sicher auch eine ganze Menge anderer Dinge zu erledigen.
    78 Auch Astrolabium; Astronomisches Instrument, auf dem die Grundzüge der Himmelsmechanik berücksichtigt werden.
    79 Wie praktisch schon alle Gelehrten des Mittelalters. Ganz anders sah das jedoch mit dem heliozentrischen Weltbild aus, man dachte immer noch die Erde sei der Mittelpunkt des Alls.
    80 Dem Standardschiff der nordischen Händler im Mittelalter
    81 Ähnlich der Kogge und zunächst kleiner, zum Spätmittelalter hin aber in größeren Versionen
    82 Mythologisches Mischwesen, meist mit Löwenkörper und