Sophia oder Krieg auf See
die Leere, die sich in Jonathans Kopf zuvor breit gemacht hatte. Piraten? Sophia drehte sich zu ihrem Leibritter herum und sah ihm in die Augen.
»Die Piratenplage ist so außer Kontrolle geraten, dass man ein militärisches Eingreifen an eine Existenzfrage knüpft«, stellte der Marschall fest.
Jonathan hörte auf zu atmen. Das besagte Fürchterliche fing gerade an, eine lange, schwarze Lederpeitsche auszurollen.
»Die Bemühungen des geliebten Herzogs«, fuhr Wells fort, »unsere Piraten davon zu überzeugen, sich wieder mehr auf Margarete und weniger auf die Kaufmannsliga zu konzentrieren, scheinen keinerlei Erfolg beschert«.
Leibritter Giles hörte einen Knall und ein rasender Lederknoten fräste sich gierig durch die Haut über seiner Wirbelsäule. Unsere Piraten?
Sophia sah Jonathan immer noch an. »Marschall, lasst mich einen Augenblick allein«, sagte sie gefasst, ohne Jonathan aus den Augen zu lassen, »ich weiß was zu tun ist und werde Euch gleich meine Befehle übermitteln«. Wells verbeugte sich und seine drei Begleiter taten es ihm gleich. »Jawohl, Durchlaucht«. Wells drehte sich auf dem Absatz und rauschte hinaus, gefolgt von seinen Untergebenen.
Sophia und Jonathan waren alleine. Die Herzogin machte einen Schritt auf den jungen Giles zu und senkte den Blick.
»Das«, fing Jonathan an zu stammeln, »verstehe ich nicht. Die Piraten. Und ihr. Du. Ihr macht gemeinsame Sache?«. Sophia lächelte traurig und zog eine Augenbraue hoch. »Warum?«, krächzte Jonathan verzweifelt, »warum macht ihr das? Du weißt doch, dass tausende von unschuldigen Menschen dabei ums Leben kommen«.
»Es ist Krieg, Jonathan«. »Krieg gegen die Kaufmannsliga? Was haben unschuldige Kaufleute damit zu tun?«.
Sophia wirkte unendlich müde, was vor allem daran lag, dass sie unendlich müde war. »Unschuldig«, wiederholte sie sehr leise und seufzte. »Die Sache ist so unendlich viel komplizierter, Jonathan. Die Piraten waren eine Waffe gegen Königin Margarete. Und jetzt sind sie eine Waffe gegen die ganze Welt. Eine Waffe, die wir nicht mehr unter Kontrolle haben«.
»Dann sagt euch los von ihnen! Helft der Liga, oder wem auch immer, damit diese Pest für immer von der Welt verschwindet!«. Sophia musste wieder Lächeln und dieses Mal wirkte sie noch trauriger als zuvor. »Das kann ich nicht«, erklärte sie, in fester Überzeugung, dass ihr Leibritter es nicht verstehen würde. Eine Überzeugung, mit der sie Recht hatte.
»Warum nicht?«, bohrte Jonathan nach und dachte nicht im Geringsten daran, Sophia so leicht davon kommen zu lassen. Hier stand die umwerfendste Frau, der er je begegnet war und wollte ihm vermutlich gleich weismachen, dass der Tod seiner Familie ein bedauerlicher Kollateralschaden war. Jonathan war verdammt wütend. Das blöde Fürchterliche konnte ihn übrigens mal kreuzweise. Und die Peitsche konnte sich das Fürchterliche sonst wo hinstecken.
Sophia machte einen weiteren Schritt auf Jonathan zu. »Weil Margarete uns um den schwedischen Thron betrogen hat«, erläuterte sie mit fester Stimme. »Sie hat ihn uns gestohlen. Und sie wird dafür bezahlen«.
Jonathan verstand nicht und das alleine war ein guter Grund laut zu werden. »Und du bist bereit, für diesen Krieg so viele Unschuldige zu opfern?«, rief er.
»Ich werde nach Gotland fahren, Jonathan«, gab sie ebenso forsch zurück, »und ich werde alles in meiner Macht stehende tun, damit der Kampf gegen Margarete neu aufgenommen wird«.
Jonathan schnürte es die Kehle zu. Sophia machte einen letzten Schritt auf ihn zu und legte ihre Hand auf seine Schulter. »Und du könntest mich begleiten«, beschwor sie Jonathan leiser, »du kannst Zeuge werden, dass ich alles unternehmen werde was in meiner Macht steht, um die Piraten auf militärische Ziele einzuschwören. Du kannst mir helfen«.
Jonathans Wut war rotzbesoffen eingeschlafen und ließ sich nicht mehr wecken. Stattdessen putzte Panik ihre schmutzigen Stiefel auf der Fußmatte vor Jonathans Verstand ab und wollte reingelassen werden. »Wie willst du das fertig bringen, Sophia«, fragte Jonathan mit amtlichem Verzweiflungstremolo in der Stimme, »wenn sogar dein Mann daran gescheitert ist?«.
Sophia benötigte einen Augenblick, um dieser Tatsache Rechnung zu tragen. »Weil es unsere letzte Chance ist«, murmelte sie, »die letzte Chance für unser Haus. Komm’ mit mir, Jonathan«.
Sie sahen sich an und langsam, ganz langsam, fing Jonathan an zu begreifen, dass er die Liebe seines
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