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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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die mit Polen durch einen Beistandsvertrag verbündet waren, dem Deutschen Reich den Krieg. Deutschlands politische Führung hatte – in tatkräftiger Zusammenarbeit mit den führenden Generälen und Offizieren der Wehrmacht – den Zweiten Weltkrieg entfesselt.

BEZIEHUNG AUF DISTANZ – EIN BRÜCHIGES MODELL

September 1939 bis März 1940
    Die Stimmung war überall gleich – ob bei den Scholls am Ulmer Münsterplatz oder in der Hauptstadt. Als der britische Botschafter Henderson am 5. September 1939 aufgrund des Kriegszustandes die Botschaft Großbritanniens in der Berliner Wilhelmstraße verlässt, beobachtet Helmuth James von Moltke, Jurist im Oberkommando der Wehrmacht, die Szene und schildert sie in einem Brief an seine Frau: »Dieser Krieg hat etwas gespenstisch Unwirkliches. Die Menschen stützen und tragen ihn nicht. Gestern, als Henderson abfuhr, ging ich gerade in der Wilhelmstraße vorbei. Vielleicht 3 oder 400 Menschen standen da, aber kein Laut des Missfallens, kein Pfiff, kein Wort ertönte; man hatte das Gefühl, sie werden jeden Augenblick klatschen.« Niedergeschlagenheit, Apathie macht sich breit.
    Die Machthaber spürten es. Das Wort »Krieg« war tabu in den ersten Septembertagen 1939. Als am 3. September der erste Ulmer Soldat, dreiundzwanzig Jahre alt, auf dem Schlachtfeld in Polen für »Führer, Volk und Vaterland« gefallen war, verbreitete sich die Nachricht sofort in der Stadt. Drei Tage später ließ der Ulmer Polizeipräsident eine »Mahnung« veröffentlichen und nannte die, die solche »Gerüchte« verbreiteten, »Volksverräter«. Erst am 20. September durfte die erste Todesanzeige für einen Gefallenen im »Ulmer Tagblatt« erscheinen.
    Wenn Sophie Scholl in diesen Septembertagen an Lisa Remppis schreibt »Ich hoffe so sehr, dass der Krieg bald endet. Wie, ist mir einerlei«, spricht sie damit der überwältigend Mehrheit der Deutschen aus dem Herzen. Niedergeschlagenheit, Angst – ja; doch von Apathie ließ sich Sophie Scholl nicht überwältigen. Vielmehr taucht der Krieg für sie alles in ein neues, scharfes Licht. Sie benennt erstmals und sehr deutlich, was sich in Gesprächen mit Eltern und Geschwistern, auch in Stunden des Alleinseins an Gedanken und Überzeugungen angesammelt und geformt hat.
    Fritz Hartnagel hatte ihr am 3. September seine Feldpostnummer gemeldet, denn das machte alle Briefe an ihn portofrei. Der Leutnant der Reichswehr war nicht nach Polen, sondern an die potentielle Westfront geschickt worden: »Ich sitze im Schwarzwald und bin Adjutant bei der Nachrichten Abteilung. Wir warten nun stündlich, dass es auch hier bei uns zum Knallen kommt. Wenn wir’s auch nicht hoffen wollen, so freuen wir uns natürlich insgeheim darauf.« Zwei Tage später erwidert Sophie Scholl auf die Kriegsfantasien ihres Freundes: »Nun werdet ihr ja genug zu tun haben. Ich kann es nicht begreifen, dass nun dauernd Menschen in Lebensgefahr gebracht werden von andern Menschen. Ich kann es nie begreifen und ich finde es entsetzlich. Sag nicht, es ist fürs Vaterland.« Das ist eindeutig, aber die folgenden Sätze nicht minder: »Wenn es Dir nur immer gut geht. Gelt, Du hast keinen so gefährlichen Posten. … Ich denke viel an Dich. … Hoffentlich kannst Du bald schreiben.« Und so wird es bleiben die nächsten Wochen: Verstand und Gefühl prallten aufeinander, denn von beidem besaß Sophie Scholl in reichem Maße.
    Der Verstand, unterstützt durch Familien-Gespräche, lässt Sophie Scholl die politische Lage am 19. September kühl analysieren: »Der Hoffnung, dass der Krieg bald beendet sein könnte, geben wir uns nicht hin. Obwohl man hier der kindlichen Meinung ist, Deutschland würde England durch Blockade zum Ende zwingen. Wir werden ja alles noch sehen.« Wer so denkt, lässt sich von den Erfolgen auf dem Schlachtfeld nicht beeindrucken. Obwohl die polnische Armee sich erbittert gegen die Übermacht der Eindringlinge wehrt, wird am 6. September Krakau von den Deutschen besetzt. Am 17. September überfällt die Sowjetunion Polen an seiner östlichen Grenze und besetzt Ostpolen. So war es in einer geheimen Klausel am 23. August 1939 im Nichtangriffspakt mit dem nationalsozialistischen Regime ausgemacht. Erstmals in der Kriegsgeschichte werden Städte auf breiter Fläche bombardiert – von der deutschen Luftwaffe. Vor allem Warschau leidet unter den deutschen Bomben und muss am 27. September kapitulieren. Der Krieg ist entschieden, die Kapitulation der polnischen Rest-Armee am

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