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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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ist oft schwer, gut zu ihr zu sein, weil sie in den letzten Tagen so gleichgültig ist. Aber ich weiß ja, diese Gleichgültigkeit ist nichts andres als Abgeschafftsein. Und ich dumme, störrige Schwester darf mich dadurch nicht gehen lassen. Sofie hat mein Lächeln, mein Bereitsein verdient … Sie ist so eine zarte, empfindliche Seele und so verschwiegen.« Wären Sophie Scholl diese Zeilen vor die Augen gekommen, sie hätte wohl Widerspruch eingelegt und von Missverständnissen gesprochen.
    Es kommt einiges zusammen, das diesen Missverständnissen Nahrung gibt. Schon von Natur aus sind die beiden Schwestern verschieden. »Verträumt« nennt Inge Scholl sich selbst, auch »empfindlich« wäre eine treffende Bezeichnung. Schnell kommen ihr die Tränen, davon zeugt ihr Tagebuch. Sich gegen Gefühle mit Gleichgültigkeit zu wappnen, wie Sophie Scholl den »kühlen Gleichmut« einer Rose zum Ideal erheben – das ist ihr fremd. Ein weiterer, bedeutender Unterschied liegt in der Geschwister-Folge. Inge Scholl ist die Älteste. Diese Rolle ist ihr zur zweiten Natur geworden, so haben die Eltern sie erzogen: Vorbild zu sein, für alle Verantwortung zu tragen, zurückzustehen, auszugleichen. Am 11. Mai 1941 wird sie über ihre Beziehung zu den Geschwistern in ihr Tagebuch schreiben: »Ich habe dann Angst, ihnen nicht gerecht zu werden.« Sophie hatte als die jüngste Tochter solche Lasten nicht zu tragen.
    Hinzu kam eine enge Verknüpfung mit dem Elternhaus, die Inge Scholl in eine berufliche und private Abhängigkeit brachte. Hans Scholl studierte, Sophie strebte – mit Zustimmung der Eltern – das gleiche Ziel an; Liesl war nach ihrer Ausbildung zur Kindergärtnerin zur Weiterbildung seit 1939 aus dem Haus; Werner wünschte sehnlichst, nach RAD und Soldatsein, studieren zu können. Nur Inge Scholl, musisch begabt, eine gute Klavierspielerin, war fest an die Eltern, an das familiäre Umfeld gebunden. Seit dem Herbst 1937 arbeitete sie im Steuerbüro ihres Vaters, das einen Teil der großen Wohnung am Münsterplatz einnahm. Der Vater hatte diesen beruflichen Weg für seine Älteste beschlossen, in jener fernen Zeit, als sie noch begeisterte Führerin ihrer Jungmädel war. Inge Scholl wurde seine rechte Hand; es war angenehm, vom Büro nur wenige Minuten bis zum eigenen Zimmer zu brauchen, immer da zu sein, wenn die Geschwister, die auszogen, nach Hause kamen. Jedoch ein Gedanke an Aufbruch und Ausbruch aus der familiären Enge, an Veränderungen, nach denen Sophie Scholl sich sehnte, verbot sich von selbst. Aber mit Otl Aicher hatte unerwartet der eingefahrene Alltag eine Wendung genommen. Da war ein Mensch, der sich Inge Scholl ganz zuwandte.
    Am 24. Februar 1941 schreibt Hans Scholl den Eltern, er werde nächstes Wochenende nach Ulm fahren und berichtet stolz, es sei ihm gelungen, zwei Bände »Zauberberg« von Thomas Mann zu erstehen. Schlusssatz: »Es ist fein, dass Ottl ein bisschen beim Vater arbeiten kann.« Robert Scholl hatte es nicht nur bei Worten belassen – »Seien Sie doch stolz auf so einen Sohn« –, sondern Otl Aicher Arbeit in seinem Büro angeboten, seit der wegen des Abitur-Verbots Mitte Februar nicht mehr zur Schule ging. So war Otl Aicher fast täglich bei den Scholls am Münsterplatz, und es war Inge Scholl, mit der er die meiste Zeit verbrachte. Sophie Scholl war vollauf mit Vorbereitungen für die Prüfung beschäftigt.
    Am 27. Februar begleitet Inge Scholl Otl Aicher zum Abschied die Treppe hinunter. Was dann geschieht, hat sie im Tagebuch festgehalten: »Ich glaube, Du kannst nicht beten, Inge, hast es noch nie gekonnt. Ich ging wieder die Treppe hinauf, ohne Otl. Die Tränen kamen, stürzten aus meinen Augen. Wenn ich nicht beten kann, Gott, aber weinen kann ich ›bis ins innerste Herz‹. … Ich weine viel in letzter Zeit.« Mitte März dann die Wiedergutmachung: »Otl hat mir sein Gebetbuch gezeigt.« Es enthielt Bilder und Zeichnungen, aber damit sei es nun vorbei, erklärte ihr Otl: »Inge wenn ich bete, dann bete ich ins Leere hinein.« Otl Aichers Vertraulichkeit, sie in seine innersten Bezirke blicken zu lassen, macht alle Tränen vergessen. »Dieses Wunder von einem Menschenkind«, notiert Inge Scholl.
    Mitte April ein ähnliches Erlebnis: »Am Samstag Blumen holen für Vaters Geburtstag mit Otl und Grogo. Da sagte Otl ein Wort, das mir entsetzlich weh getan hat: ›Es ist überhaupt im Grunde genommen egoistisch, nur einen Menschen zu lieben.‹« Eine zarte und empfindliche Seele

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