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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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Rolle im Leben der Scholl-Geschwister spielen würde.
    Im Frühjahr 1941 hielten Hans Scholl und Otl Aicher noch Distanz zueinander, auch wenn es von Seiten Scholls eine durchaus freundschaftliche war. Otl Aicher hatte noch den schneidigen HJ-Führer in Erinnerung. Wie tief ging die Umkehr? Aber die Scholl-Geschwister waren ein fester emotionaler Block, der sich nicht auseinanderdividieren ließ. Bei aller Kompromisslosigkeit, die Otl Aicher für sich in Anspruch nahm: Wollte er Inge Scholl und ihre Schwester Sophie auf Dauer für seine Vorstellungen und Ziele gewinnen, musste er auch Hans Scholl überzeugen. Bei ihm waren Geduld angesagt, Zurückhaltung und langsame Annäherung.
    Immer massiver griff die Politik in das Leben des Einzelnen, versperrte den Horizont der Zukunft immer mehr. Zur gleichen Zeit, als Sophie Scholl erfuhr, dass statt Studium der Arbeitsdienst auf sie wartete, wurde den Soldaten Urlaubssperre verkündet. Fritz Hartnagel konnte es erst gar nicht begreifen: »All meine Hoffnungen auf einen Urlaub haben sich zerschlagen. … Ich lebe die ganzen Tage nur von der Hoffnung auf diesen Urlaub.« Sein einziger Trost, schrieb er Sophie Scholl am 20. März, sei, dass er sich mit ihr verbunden wisse und wieder zu ihr zurückkehren dürfe.
    Kaum hatte er sein Abitur hinter sich, wurde der achtzehnjährige Werner Scholl Ende März zum Arbeitsdienst in ein Lager bei Biberach eingezogen. »Mit mir kannst Du Ostern nicht mehr rechnen,« informierte Sophie Scholl ihre Freundin Lisa Remppis. Beide hatten sich auf die gemeinsamen Ferien gefreut. Am Palmsonntag schrieb Lina Scholl ihrem Sohn Werner: »Vorhin ging Sofie fort; es ging alles noch gut.« Was sie Werner brieflich noch mit auf den Weg gab, wird sie auch Sophie ans Herz gelegt haben: »Denkst Du auch daran, dass heute die Karwoche begonnen hat und wir diese Woche Karfreitag feiern?«
    Am 6. April 1941 saß Sophie Scholl, die im Mai zwanzig Jahre alt würde, im Zug. Ihr Ziel: das RAD-Lager Schloss Krauchenwies im Landkreis Sigmaringen. Sechs Monate würde sie von zu Hause fort sein; so lange wie nie zuvor.

IM ARBEITSDIENST (1) – WURSCHTIGKEIT UND KALTE DUSCHEN

April bis Juli 1941
    Das Schlösschen am Ortsrand von Krauchenwies hatte schon bessere Tage gesehen. Seit 1595 lebten für fast dreihundert Jahre die Grafen von Hohenzollern-Sigmaringen in dem schmucken frühklassizistischen Bau und ließen im 19. Jahrhundert ringsherum auf fünfzig Hektar Land einen weitläufigen englischen Landschaftspark anlegen. Bald darauf zogen sie fort, und für das Rentamt im zehn Kilometer nördlich gelegenen Sigmaringen wurde die fürstliche Immobilie zur Last. Erfreut unterzeichneten die Beamten im April 1940 einen Mietvertrag mit dem Reichsarbeitsdienst, der von nun an den größten Teil des Schlosses als Reichsarbeitsdienstlager nutzte. »Stadtmädels werden der Bäuerin unentbehrlich«, schreibt »Verbo Sigmaringen« – die ehemalige »Hohenzollerische Volkszeitung« – zur feierlichen Eröffnung am 9. Mai 1940. Insgesamt kamen zu dem jeweils halbjährigen Dienst rund sechzig bis achtzig »Arbeitsmaiden« ins Schloss. Sophie Scholl teilte mit zehn jungen Frauen ein Zimmer, konnte in den ersten Wochen vor Kälte nicht einschlafen, es gab keine Heizung im Schloss. Immerhin war sie froh, in einem der oberen Betten zu schlafen – wegen der vielen Mäuse.
    Zweierlei hat Sophie Scholl in Krauchenwies von sich gefordert. »Ich bin froh«, schreibt sie Lisa Remppis am 13. April, »dass ich mich schlecht eingewöhne.« Drei Tage zuvor hatte sie ihrer Schwester Liesl mitgeteilt, sie »pflege ihr Wurschtigkeitsgefühl, das bisher eher Fassade war, aufs Fürsorglichste«. Wer es mit einem übermächtigen Feind zu tun hat und überleben will, ohne sich verbiegen zu lassen, ist immer aufs Neue gefordert, diesen Widerspruch auszuhalten und für sich selbst kreativ umzusetzen; sich nicht anzupassen, aber sich auch mit Gleichmut zu panzern.
    Nach dem Wecken morgens um 6 Uhr stand als Erstes Frühsport auf dem Programm. Dann wurde rund um den Fahnenmast ein Kreis gebildet und zum Hitlergruß glitt langsam die Hakenkreuz-Fahne nach oben; ein Lied beendete das Ritual. Geordnet ging es zum Frühstück und anschließend an die Arbeit – in uniformierter Kleidung. In der Freizeit musste ebenfalls Uniform getragen werden. Der Tag wurde bis 18 Uhr mit mehr oder weniger sinnvollen Büro- und Organisationsarbeiten ausgefüllt, nur vom Mittagessen unterbrochen. Nach dem Abendessen ging

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