Sophie Scholl
und nicht so stark ist wie Du.«
Robert Scholls Bemerkungen werden nicht folgenlos sein. Die Gestapo leitet ein Verfahren in die Wege. Wie eine dunkle Wolke hängt diese Drohung von nun an über der ganzen Familie. Dabei hatte sich das alte Jahr erfolgreich verabschiedet und das neue gut angefangen für Robert Scholl und die Seinen. Das Einkommen im Steuerbüro war von 13 399 Reichsmark 1940 auf 14 270 Reichsmark im Jahre 1941 gestiegen, eine stattliche Summe. Im September 1941 hatte Robert Scholl beantragt, zur nächsten Steuerberater-Prüfung zugelassen zu werden. Die Finanzbehörde in Stuttgart hatte den Antrag nach Berlin geschickt mit der Empfehlung »beruflich zuverlässig, schriftgewandt und zum mündlichen Vortrag befähigt«. Was die »politische Zuverlässigkeit« betraf, meldete die NSDAP-Gauleitung Württemberg-Hohenzollern: »keine Bedenken.« Am 24. November 1941 erschien Robert Scholl um 9 Uhr morgens im Dienstgebäude des Oberfinanzpräsidenten in Stuttgart zur dreitägigen Prüfung. Am 5. Februar 1942 kam ein Brief vom Oberfinanzpräsidenten: »Sie haben die Steuerberatungs-Prüfung bestanden.« Und jetzt, knapp zwei Wochen später, die Gestapo-Vernehmung.
Doch für die Scholl-Familie gilt: Trotz alledem! »Wir stehen geschlossen bei Vater und untereinander, es mag kommen, was will. Diese Zeit geht auch vorüber«, heißt es in dem Brief von Lina Scholl an Sophie. Am Ende hat Inge Scholl noch hinzugefügt: »Sofie, Du brauchst in keiner Weise den Kopf hängen zu lassen wegen äußerer Dinge. Wie es auch gehen mag, wir werden es schaffen. … Trotzdem kann ich es kaum erwarten, bis Du kommst.« Am 28. Februar 1942 fuhr Sophie Scholl für zwei Tage nach Hause. Würde aus Schikane vielleicht ihr Arbeitsdienst verlängert? Im nationalsozialistischen Staat hatte längst die Willkür das Recht ersetzt. Am 6. März wird der Gauhauptamtsleiter in Stuttgart dem Herrn Oberfinanzpräsidenten schreiben. Es ging um Robert Scholl, der »inzwischen zu schweren Beanstandungen in politischer Hinsicht Anlass gegeben hat. Ich mache gegen die Zulassung des Scholl als Steuer-Berater erhebliche politische Bedenken geltend.« Ein Lichtblick für die Familie waren die Kunden von Robert Scholl. Sie stellten sich hinter ihren Steuerberater.
Kaum zurück in Blumberg, bittet Sophie Scholl die Mutter, Salbe zu besorgen. Sie habe ein schmerzhaftes Furunkel auf der Brust. Es sei noch viel los im Dienst, »jeden Sonntag was anders«. Ich kann die nächsten Wochenenden nicht nach Hause kommen, sollte das signalisieren. Wahrscheinlich wurde es Sophie Scholl einfach zu viel mit der Fahrerei, und da war ja auch noch Fritz, der jederzeit wieder aus Weimar wegberufen werden konnte. Unmissverständlich schloss sie den Brief: »Ich freue mich um so mehr, wenn diese 25 Tage vollends herum sind.« In diesen Tagen informiert Lina Scholl ihren Sohn Werner, wie es Sophie geht: »Sie ist reif für die Heimat, denn das Jahr war lang und oft nicht leicht. Sie wird wohl daheim bleiben und teilweise im Büro helfen, denn wer weiß, ob die Studentinnen noch länger studieren dürfen, wenn der Krieg noch weitere Opfer fordert.«
Am 10. März schreibt Sophie den Eltern, hoffentlich sei der Schnee weg, bis sie nach Ulm kommt: » Ich freue mich riesig .« Was sie dann tun werde? »Ich bin zu allem bereit … wenn ich nur wieder frei bin. Ob ich nun zu Hause helfe oder gleich studieren kann.« Zum Schluss noch der Hinweis auf eine willkommene Abwechslung: »Nächsten Sonntag werde ich mit Otl zusammen verbringen. Hoffentlich klappt alles.« Die Mutter antwortet umgehend, schickt herzliche Grüße an Otl und von Inge eine Information, die Otl Aicher freuen würde: »Ich soll Dir vorläufig schreiben, dass das 4. Windlicht das Thema hat: Das Schweißtuch von Turin. Du wirst es dann illustrieren.« Obwohl der Besuch der Gestapo in der Scholl-Wohnung gerade mal drei Wochen zurücklag und auch dem »Windlicht« gegolten hatte, war es Otl Aicher gelungen, alle Bedenken und Ängste, nicht zuletzt von Inge Scholl, zu zerstreuen. Die kleine Redaktionsmannschaft, inklusive Sophie, würde weitermachen und Hans Scholl im Laufe des März seiner Schwester Inge, die vollauf im Steuerbüro gebraucht wurde, die »Windlicht«-Arbeit abnehmen.
Ebenfalls am 10. März 1942 schickt Sophie Scholl ein Telegramm an Otl Aicher und korrigiert ihre Ankunft: »Erst 21.52.« Tags zuvor hatte sie ihm geschrieben: »Samstag, 14.3. in Münster, Zug 19.20 – Hoffentlich sehen wir
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