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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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diffuses Gefühl kommt nicht von ungefähr. Am 5. Februar hatte Inge Scholl ihrem Tagebuch anvertraut, »dass die meisten Briefe Sofies in mir irgendwie etwas reizen. Ich muss sehr auf mich achten und in mir suchen, was da schuld ist und woher dies kommt. Ich möchte dieser Schlange nämlich geradezu auf den Giftkopf treten. Ich möchte nichts als Liebe in mir haben.«
    So arglos wie Sophie Scholl die Fotografie von Otl Aicher an ihre Schwester geschickt hatte, so wenig wird sie über Inges Brief vom 18. März gegrübelt haben. Sie hat andere Sorgen. Von Fritz Hartnagel kommt die schockierende Information, dass er nicht nach Afrika, sondern demnächst wieder nach Russland an die Front müsse. Die beiden hatten gerade ein gemeinsames Wochenende in Weimar geplant. Das müssen sie streichen. Aber Fritz Hartnagel hoffte verzweifelt, Sophie Scholl noch einmal am kommenden Sonntag, dem 22. März, besuchen zu können: »Mir will es scheinen, als hinge von diesem Sonntag das ganze nächste halbe Jahr ab. Aber das ist natürlich nicht so, habe ich doch nun alles in mir, was ich dafür brauche, um es zu bestehen, nun weiß ich das Ziel und finde immer Halt, wenn ich nur mit ganzem Herzen will.« Deshalb will er zuversichtlich sein, selbst wenn sie sich nicht noch einmal treffen können.
    Es hat vorerst kein Wiedersehen gegeben. Am 29. März 1942 kommt Fritz Hartnagel mit seiner Truppe in Le Mans an, rund hundert Kilometer südwestlich von Paris; eine Zwischenstation auf dem Weg an die russische Front. Noch auf dem Bahnhof schickt er Sophie Scholl einen Gruß: »Hoffentlich dauert es nicht zu lange, bis ich ein Briefchen von Dir in Händen habe. … Ach Sofie, Du bist für mich das Fensterchen, durch das ich in eine andere Welt schaue, mach es mir auf, so weit und so oft Du’s kannst.« Für Fritz Hartnagel gibt es kein Entkommen aus der Maschinerie des Krieges. Sophie ist seine Hoffnung auf ein anderes Leben. Sie wird durch diese Entwicklung in ein Wechselbad der Gefühle getaucht. Hier die Angst um Fritz Hartnagel, dort die Freude, endlich wieder ein Stück Freiheit zu erlangen und den Zwängen des Arbeitsdienstes zu entrinnen. »In 8 Tagen fahre ich heim. Ich kann Dir nicht sagen, wie das ist«, schreibt sie Lisa Remppis am 20. März.
    Die »Beurteilung« trägt das Datum vom 26. März 1942 und ist unterzeichnet vom Kreisamtsleiter in Donaueschingen. Sophie Scholl wird bestätigt, im Rahmen ihres Kriegshilfsdienstes im Oktober 1941 zuerst »in Fürstenberg zur selbständigen Führung eines Kindergartens eingesetzt« worden zu sein. Dann sei sie in den Kinderhort Blumberg gewechselt, »wo sie die Führung einer Gruppe übernahm«. Sie könne »sehr gut mit Kindern umgehen und sich das Vertrauen der Kinder erwerben«. Das hätte gereicht. Doch die Beurteilung geht noch weiter: »Künstlerisch ist Fräulein Scholl äußerst begabt. In ihrer Arbeit ist sie sehr gewissenhaft.« Sophie Scholl hat Eindruck gemacht. Am 27. März 1942, es ist ein Freitag, ist Sophie Scholl nach dreizehn Monaten erzwungenem Arbeitsdienst mit Sack und Pack wieder zu Hause in Ulm. Endlich frei. Aber in welcher Welt sie lebt, wird ihr bei der Rückkehr drastisch vor Augen geführt. Am gleichen Tag sehen die Scholls von ihrer Wohnung am Münsterplatz, wie fünf Glocken aus dem berühmten Geläut des Ulmer Münsters mit schwerem Gerät abgenommen und vor das Hauptportal gerollt werden. Der Gemeinderat hatte die staatliche Anweisung ohne weiteren Protest zur Kenntnis genommen. Eines der schönsten Geläute Süddeutschlands, das zum Lob Gottes gerufen hatte, wird für Instrumente des Krieges eingeschmolzen.

STUDENTIN IN MÜNCHEN – STUDIUM NEBENSACHE

April bis Juli 1942
    Eine Verschnaufpause gibt es nicht für Sophie Scholl. Sie hilft im Büro des Vaters mit aus und geht der Mutter im Haushalt zur Hand. Am Morgen des zweiten Ostertages findet sie Zeit für einen Brief an Lisa Remppis, weil sie ihre Arbeit geschafft hat: »Das Frühstücksgeschirr ist gespült, die Betten gemacht und die Weincreme auch …« Das Wichtigste zuerst. Ihrer alten Freundin kann sie gestehen, dass sie die »Umstellung von dem Allein- und Auf-Sich-Gestellt-sein wieder hinein in einen Freundeskreis« als »gewaltig und anstrengend empfindet«. Wie gerne würde Sophie Scholl mit Lisa einige Zeit fortziehen, »ganz unbeschwert, zu Rad oder zu Fuß«. Wenn die Hauptarbeit im Büro vorüber ist, in einem Monat, ist sie frei und hofft, dass auch Lisa Remppis dann Zeit und Lust

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