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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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denen Sophie Scholl berichtet, haben unterschiedliche Ausgangspunkte. Da ist einmal Carl Muth in München-Solln, dessen umfassende Bibliothek Hans Scholl seit Ende Oktober ordnet und der zum väterlichen Freund wird. Das Fundament ihrer Freundschaft ist der Abscheu vor dem Nationalsozialismus und seiner verbrecherischen Politik und die Überzeugung, dass nur eine Niederlage Deutschlands in diesem Krieg einen wahrhaften Neubeginn bringen kann. Für diese neue Zeit gilt es, sich unter Gleichgesinnten zusammenzutun. Außerdem ist Muths pädagogischer Eifer geweckt, diesem wissbegierigen, allem Religiösen gegenüber aufgeschlossenen Menschen den Weg zur Wahrheit weisen, die für ihn im katholischen Glauben liegt. Ende Februar 1942 schreibt er stolz an Otl Aicher, Hans Scholl werde durch ihn »katholische Menschen großen Formats kennenlernen«. Da war Hans Scholl gerade vom katholischen Professor Alfred von Martin eingeladen worden, dessen Buch »Nietzsche und Burckhardt« Inge Scholl im Oktober 1941 in der Rieckschen Buchhandlung in Aulendorf bestellt hatte. Eine Schrift, die verdeckt für einen christlichen Humanismus und gegen die Un-Werte des Nationalsozialismus Stellung nahm.
    Bei Professor Martin lernte Hans Scholl den ehemaligen Justizbeamten Josef Furtmeier kennen; der wiederum gab dem jungen Mann eine Empfehlung für den Architekten Manfred Eickemeyer, der ein Atelier in der Leopoldstraße hatte. Er bekam Aufträge im deutschen Generalgouvernement in Polen und unterhielt ein Büro in Krakau. Eickemeyer informierte Hans Scholl über die Verbrechen der Nationalsozialisten in Polen, insbesondere die Ermordung der Juden. Im April machte Professor Muth Hans Scholl mit Sigismund von Radecki bekannt, der ein ausgefallenes Leben vorzuweisen hatte: gelernter Bergbau-Ingenieur, Schauspieler, Zeichner, Schriftsteller, Kritiker, in den zwanziger Jahren zum Katholizismus übergetreten. Längst hatte Hans Scholl den Nachbarn von Carl Muth kennengelernt: Werner Bergengruen, ebenfalls konvertiert, war einer der auflagenstärksten Autoren außerhalb der nationalsozialistischen Dichterriege, dessen Bücher als geistige Nahrung gegen den braunen Zeitgeist verstanden wurden – »Am Himmel wie auf Erden«, »Der Großtyrann und das Gericht«. Sie alle, mit denen man offen reden konnte, lebten in München oder am Rand der Stadt. Ein Tee am Nachmittag oder ein kleines Abendessen war schnell arrangiert; manche Treffen fanden regelmäßig statt. Zu vielen ging Hans Scholl im Sommersemester 1942 nicht mehr allein, sondern zusammen mit seiner Schwester Sophie. Die Geschwister sahen sich fast täglich. »Hans ist ein guter Bruder für mich«, schrieb Sophie Scholl am 30. Mai an Lisa Remppis, »ich gewinne ihn immer lieber.« Und teilte ihre Münchner Adresse mit: Mandlstraße 1 I; endlich hatte Sophie Scholl ein eigenes Zimmer.
    An einem Freitagnachmittag treffen die beiden Geschwister bei Carl Muth Sigismund von Radecki. Hans Scholl gewinnt ihn für eine Lesung am 4. Juni im kleinen Kreis. Von Muths Haus in Solln fuhren die Geschwister zu Josef Furtmeier, da wurde – so Sophie Scholl an ihre Freundin Lisa – »ein dreistündiges, pausenloses und anstrengendes Gespräch geführt«. Die Gespräche mit Furtmeier, den sie den »Philosophen« nannten, fanden regelmäßig, meist einmal pro Woche statt. Der fünfundfünfzigjährige Furtmeier, Pazifist, war 1933 in München aus dem Justizdienst entlassen worden. Als Autodidakt hatte er sich ein eindrucksvolles Wissen in Geschichte, Archäologie, Theologie, Philosophie, Literatur und den Naturwissenschaften angeeignet. Furtmeier war unverheiratet, dennoch kein Eigenbrötler, ein intelligenter Querdenker und scharfer Kritiker der katholischen Kirche. Er hob nicht die Hand zum Hitler-Gruß und trat keiner NS-Organisation bei. Seine Gegnerschaft zu den braunen Machthabern gründete sich auf nüchterne Analysen. Während seine Freunde Carl Muth und Theodor Haecker im Frühjahr 1942 davon ausgingen, der Krieg würde bald mit der erhofften Niederlage enden, warnte Furtmeier: Bis zum Kriegsende sei es noch ein langer Weg.
    Sonntag, 31. Mai – Hans und Sophie Scholl machen einen Ausflug nach Passau und einen Abstecher nach Grattersdorf im Landkreis Deggendorf. Sie besuchen Max Schwarz, seit 1938 Pfarrer an St. Ägidius, und richten Grüße von Carl Muth aus. Schwarz, der in Rom an der päpstlichen Universität promovierte und dort 1905 zum Priester geweiht wurde, war eher Theologe als konzilianter

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