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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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bei Deinem Vergleich nicht an Deine Vorliebe für den November gedacht hättest, ich hätte es doch bemerkt.« Und nun zieht Inge Scholl die Konsequenz aus den unguten Gefühlen und Spannungen, die sie seit Sophie Scholls Rückkehr aus Bad Hall quälen: »Wenn es so sein sollte, Otl, dass Sofie jetzt diesen nächsten Platz bei Dir einnimmt, dann will ich mich doch keinen Augenblick sträuben, in den Hintergrund zu treten. Ich würde Dich von dort aus weiter lieben. Denn ich will ja nur mich in Gottes Willen hineinknien, sonst nichts.« Ihr ist wichtig, ihr Verhältnis zu ihrer jüngsten Schwester deutlich zu machen. Es würde unter einer solchen »Platzverschiebung« nicht leiden: »Sofie habe ich schon immer ganz besonders geliebt, eine Zeitlang fast wie eine Mutter, bis dann die Altersunterschiede verwischt wurden und sie eine starke Selbständigkeit erreichte. Die innige Beziehung zwischen uns aber hat sich erhalten, und ich glaube, dass ich sie verstehe, soweit man das von einem Menschen sagen kann.«
    Es folgt noch ein Blick auf Hans Scholl, da Otl Aicher beunruhigt war wegen eines sehr offenherzigen Briefes, den er ihm geschrieben hatte. Er brauche sich keine Sorgen zu machen, schreibt ihm Inge Scholl, Hans habe ihr gegenüber keine Bemerkungen gemacht, »und wenn er wirklich sein Vertrauen so in Deine Hand gelegt hat, bin ich heilfroh«. Im Vergleich zu Sophie verberge sich »seine Verschlossenheit nicht hinter einer Kühle, sondern hinter jener Gefälligkeit, von der Du schreibst. … man muss ihn schon ab und zu in die Enge treiben, wo er sich klar für etwas entscheiden muss, und das kannst du wohl besser noch als ich«. Damit hatte Inge Scholl die erste Aufgabe dieses 2. Januar 1943 erledigt.
    Eine Woche später schaute sie auf den Nachmittag des 2. Januar zurück und schreibt in ihr Gebetsheft: »Letzten Sonntag mit Sofie beim Spaziergang ausgesprochen – da löste sich das Eis … Ich danke Dir für Sofie … Sofie ist mir wiedergeschenkt worden. Ich brauche keine Angst mehr um das Verhältnis zwischen uns zu haben … O welch wunderbares, liebes Menschenkind!« Am 8. Januar war Sophie Scholl wieder zurück nach München gefahren. Das erklärt den letzten Satz: »Segne Sofie! Fast habe ich Heimweh nach ihr. Und Otl!« Für Inge Scholl war die Welt wieder im Lot. Im Hin und Her der Briefe und durch einen kurzen Besuch von Otl Aicher in der Wohnung am Ulmer Münsterplatz hatte sich geklärt, dass Inge Scholl weiterhin den Platz an seiner Seite einnehmen würde. Am Abend des 6. Januar 1943 schreibt sie ihm und zitiert aus seinem letzten Brief: »Und nun bitte ich Gott, dass dieses neue Getrenntsein von Dir, ein ›strahlender Beginn‹ werden möge.«
    Zurück zu Sophie Scholl, der ein gutes Verhältnis zu ihrer ältesten Schwester sehr wichtig ist. Aber gab es nicht einen Menschen, dem ihre Gedanken in diesen Tagen zwischen den Jahren mehr als jedem anderen gehörten? Der ihr Gedenken und ihre Gebete, ihre Ermutigung und ihre Liebe brauchte, auch wenn er tausende von Kilometern entfernt war? Ob Sophie Scholl am Abend einschlief oder morgens erwachte, nie konnte sie sicher sein, dass Fritz Hartnagel in den furchtbaren Kämpfen um Stalingrad noch am Leben war. In dieser extremen Anspannung und Herausforderung durchziehen die Briefe Sophie Scholls, aus Ulm an Fritz Hartnagel geschrieben, zwei Koordinaten, nach denen ihr Leben ausgerichtet ist, die ihr Halt und Trost und sogar ein Gefühl reiner Freude geben.
    Zum einen ist sie unerschütterlich in ihrem Vertrauen auf Gott und darin, dass sie beide in seiner Liebe geborgen sind, so furchtbar es auch in der Welt ringsum zugehen mag. »Du weißt ja, was ich für Dich wünsche«, schreibt sie am 26. Dezember. »Dies alles lege ich in die Hand, die unsre ohnmächtige Liebe mächtig werden lässt.« Und am vorletzten Tag des Jahres 1942: »Doch wenn du diese Zeit nur überstehst, das Wie ist dann nicht so wichtig, oder besser, darum habe ich keine so große Sorge, denn ich weiß ja, dass Dich der Gedanke an den, der Dich führt, ruhig machen kann.« Wenn Sophie Scholl am 3. Januar 1943 ihren Brief mit »Und nun Gott befohlen!« schließt, dann ist das keine Floskel.
    An diesem Tag spricht sie gegenüber Fritz Hartnagel auch einen Wunsch aus, den sie sonst nur ihrem Tagebuch anvertraut hat: »Oftmals bin ich unglücklich, dass alles Leid nicht durch mich geht, so wenigstens könnte ich einen Teil meiner Schuld abtragen an denen, die unverdient so viel mehr leiden

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