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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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Machtverhältnisse. Genau das Gegenteil fand statt, wie das Zeremoniell auf dem Ulmer Münsterplatz demonstrierte – mit dem Segen der Kirche.
    Nach dem Gottesdienst stellte sich die Evangelische Jugend mit ihren Fahnen mit dem Rücken zum Hauptportal auf, ihnen gegenüber mit Blick auf das Münster standen im offenen Viereck die Jungen der HJ mit ihren Fahnen. Die Eingliederung wurde durch ein Fahnenzeremoniell besiegelt, bei dem die HJ-Fahnen in den Vordergrund rückten, »um den ihnen gebührenden Platz für alle Zeiten einzunehmen«. Der HJ-Unterbannführer rief über den Platz: »Wir haben auch unsere Religion in der HJ; wir kennen aber keine Konfessionen, sondern nur Deutschland!« Zum Abschluss trat Jugendpfarrer Karl Griesinger vor die Jungen und Mädchen, die von nun an die NS-Uniform tragen würden. »Wurzeln in Gott – leben für Deutschland!«, gab der Pfarrer ihnen mit auf den Weg und ermunterte alle, »im Gesang des Deutschland- und Horst-Wessel-Liedes den toten und lebenden Kampfgenossen im Geiste die Hand zu reichen«. Und so sangen sie unter dem Kreuz, in dessen Zeichen das Ulmer Münster steht: »Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen, SA marschiert mit ruhig festem Schritt …«
    Am 20. April 1934 – »Führers Geburtstag« – schrieb der Heidelberger Professor Hanns Schmiedel unter der Überschrift »Adolf Hitler der Deutsche« im »Ulmer Tagblatt«: »Des Deutschen Reiches Kanzler trägt den Ehrennamen des Volkskanzlers. Er brachte das Sehnen von Jahrhunderten, das in den Besten dieses Volks auf Auferstehung harrte, zur Erfüllung. … Das grandiose Erziehungswerk am deutschen Volk wäre ohne Machtvollkommenheit und strikten Gehorsam undenkbar.« Gut zwei Monate später forderte Adolf Hitler von den Deutschen ein, was ihm die akademische Welt als Geburtstagsgeschenk angedient hatte – und wurde nicht enttäuscht.
    Am 3. Juli 1934 verabschiedete das Kabinett Hitlers ein »Gesetz über Maßnahmen der Staatsnotwehr«, das nur einen einzigen Artikel enthielt: »Die zur Niederschlagung hoch- und landesverräterischer Angriffe am 30. Juni, 1. und 2. Juli 1934 vollzogenen Maßnahmen sind als Staatsnotwehr rechtens.« Was als »Staatsnotwehr« deklariert und sanktioniert wurde, war der Mord an wahrscheinlich 150 bis 200 Menschen. Unter dem Vorwand, Hitlers alter Kumpan Ernst Röhm und seine SA planten einen Putsch gegen die NS-Regierung, hatten Hitler und SS-Chef Heinrich Himmler Ende Juni persönlich in Süddeutschland mit internen Gegnern in der SA und mit SA-Stabschef Röhm blutig abgerechnet, kein Staatsanwalt, kein Gericht wurde eingeschaltet. Hermann Göring nutzte zur gleichen Zeit von Berlin aus generalstabsmäßig die Gelegenheit, Dutzende von Gegnern im bürgerlichen Lager, darunter zwei Generäle der Reichswehr und drei führende Katholiken, ermorden zu lassen.
    Kein Jurist, kein General, kein Bischof, keine Kirchenleitung protestierte, als der Staat sich für Mord und Terror einen Freibrief ausstellte. Im Gegenteil: An Stammtischen wie in Bürgerhäusern wurde Hitlers Mut zum Durchgreifen gerühmt. Die führenden Männer der Reichswehr atmeten erleichtert auf: Ohne sich die Hände schmutzig zu machen, war ein Rivale der Armee – die SA – ausgeschaltet worden. Von nun an würde die Reichswehr mit den Mördern gemeinsame Sache machen, um die alten nationalistischen Ziele von einem großdeutschen Reich Wirklichkeit werden zu lassen. Nur einen Monat später nutzte Hitler blitzschnell die Gelegenheit, um die Armee noch enger an sich zu binden.
    Am 1. August 1934 erschien die »Deutsche Richterzeitung« mit einem Kommentar des Staatsrechtlers Professor Carl Schmitt zum »Röhm-Putsch«. Überschrift: »Der Führer schützt das Recht«. Am gleichen Tag erließ Hitler ein Gesetz, mit dem das Amt des Reichspräsidenten ausgelöscht wurde, wohl wissend, dass der siebenundachtzigjährige Reichspräsident Paul von Hindenburg auf seinem ostpreußischen Gut im Sterben lag. Schon einen Tag später, am 2. August, kam die Todesnachricht; Hitler war nun als »Führer und Reichskanzler« auch formell Alleinherrscher im Deutschen Reich, die Befugnisse des Reichspräsidenten hatte er sich selbst übertragen. Es gab kein Gesetz, an das er gebunden war. Die Juristen bestätigten seinen Coup: »Die Führergewalt ist umfassend und total; … sie erfasst alle Volksgenossen, die dem Führer zu Treue und Gehorsam verpflichtet sind. … Die Führergewalt ist nicht durch Sicherungen und Kontrollen …

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