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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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konnten sich freiwillig melden. Wer zum RAD ging, trug Uniform und lebte während der sechsmonatigen Arbeitszeit in einem kasernierten Lager mit Flagge-Hissen, Stramm-stehen, Liedersingen und nationalsozialistischer Schulung. Hans Scholl leistete seinen Arbeitsdienst in der Nähe von Göppingen bei Arbeiten an der neuen Autobahn. Seiner Mutter schrieb er am 4. Mai 1937: »Du darfst es mir glauben: Ich arbeite mit Leib und Seele; ich drücke mich niemals.«
    Sie sei von einer »göttlichen Schlamperei« gewesen, hat Susanne Hirzel die jugendliche Sophie Scholl charakterisiert. Dabei gehörte Sich-Gehen-Lassen nicht zum Erziehungsprogramm in der Scholl-Familie, man drückte sich nicht. Vielleicht hat Sophie Scholl das höchst mittelmäßige Zeugnis vom Herbst 1936 doch gewurmt. Das Zeugnis vom Frühjahr 1937 jedenfalls bestätigte es ihr, sie »war fleißig, beteiligte sich gleichmäßiger und reger am Unterricht«. Es gab nur zweimal »Genügend«, dafür in Deutsch ein »Sehr gut« und ein »Gut« jeweils in Englisch und Französisch.
    Ihre ein Jahr ältere Schwester Liesl hatte keine Lust, weiterhin zur Schule zu gehen. Sie verließ die Oberrealschule und begann im Frühjahr im evangelischen Fröbel-Seminar in Ulm-Söflingen eine Ausbildung zur Kindergärtnerin. Als im Mai 1937 das neue Schuljahr für Sophie Scholl begann, war erstmals der feste Ring der Geschwister gesprengt: Hans war beim Reichsarbeitsdienst in Göppingen, Liesl fuhr jeden Morgen mit dem Rad nach Söflingen, Inge hatte ihren festen Arbeitsplatz im Büro des Vaters. Werner, der Jüngste, ging zur Schule, aber er verbrachte immer mehr Zeit mit seinem Klassenkameraden Otl Aicher und dessen Freunden. Wenn die sechzehnjährige Sophie Scholl von der Schule oder zwischendurch am Nachmittag nach Hause in die Olgastraße kam, machte sie eine neue Erfahrung: Es war stiller geworden, wo sonst der Trubel einer großen Familie die Räume füllte.

SELBSTKRITISCH IM WELLENTAL DES LEBENS

Mai bis November 1937
    Das Erwachsenwerden ist ein Prozess, in dem der junge Mensch extremen Stimmungsschwankungen ausgesetzt ist, die aufwühlen und aufregend sind. Himmelhochjauchzend – zu Tode betrübt erleben Mädchen und Jungen sich selbst und die Welt, auf der Suche nach dem, was ihr Eigenstes ausmacht. »Wer bin Ich?« und »Wie stehe ich zu den anderen?« – diese Fragen vor allem begleiten die Jahre der Pubertät.
    Auch Sophie Scholl ist der Ambivalenz der Gefühle ausgesetzt. Einerseits registriert sie Isolation und Distanz zu Gleichaltrigen als positiv und fühlt sich überlegen. Zugleich aber leidet sie unter der Einsamkeit und sehnt sich nach Gemeinschaft in der Gruppe. Mit sechzehn Jahren tut Sophie Scholl, was schon ihre älteste Schwester Inge im gleichen Alter tat, um dem geschärften Blick für das eigene Innere eine Bühne zu geben: Sie führt ab Mai 1937 Tagebuch; eine Quelle, die erstmals Einblicke gibt, was zur Zeit der Pubertät im Innern von Sophie Scholl vorgeht und wie sie mit ihren Gedanken und Gefühlen umgeht.
    Einsamkeit. »Silbermond, uralter Trost / Siehst Du mich hier stehen / Ältere Schwester ausgegangen / Ich bin so allein – Ich wäre ganz froh, wenn wir in eine andre Stadt ziehen würden. Ich würde wieder neue Menschen kennen lernen.« Das war die Stimmung am 2. Juli 1937. Und am 27. September: »Ich fuhr gut 3 Stunden mit dem Rad herum. Wo sollte ich hin, was sollte ich tun? … Ach Gott, ich möchte gar nicht mehr. Ich mag nicht mehr. Haben alle Menschen solch unsinniges Heimweh wie ich. Wenn mir nur geholfen würde, wenn ich mir nur helfen könnte.« Einen Tag später: »Herrgott, und ich warte Tag für Tag auf etwas …«
    Gemeinschaft. Am 28. Mai hatte Sophie Scholl in das kleine linierte Buch geschrieben: »Ich möchte wissen, was aus Großfahrt wird. Herrgott, wir sind verdammt wenig. Ich komme ohne dies alles nicht aus. … Ich will mich nicht immer bilden. Ich will mich ab und zu austoben. Sonst meine ich manchmal, ich ersticke. … Ja, wirklich, es kann kein Erwachsener, auch sonst nur wenige mir nachfühlen, was mir Fahrt bedeutet.«
    Sich erproben: Auf Fahrt gehen bedeutet über Tage wandern oder mit dem Rad fahren; Zelt aufbauen oder in Jugendherbergen schlafen; am Feuer kochen und singen; Trampelpfaden folgen oder sich quer durch den Wald einen Weg bahnen. Und das alles, egal ob es regnet oder die Sonne vom Himmel brennt, und immer gemeinsam mit den anderen. In Flüssen und Seen baden. Sophie Scholl liebt das Wasser: »Es

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