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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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immer noch der sakrosankte Führer. Zum vierten Jahrestag von Hitlers Kanzlerschaft im Januar 1937 schlug der lutherische Landesbischof in Bayern, Hans Meiser, den Pfarrern dieses Fürbittgebet vor: »Am heutigen Tag empfehlen wir Dir besonders den Führer und Kanzler unseres Reiches. Wir danken Dir, Herr, für alles, was Du in Deiner Gnade ihm bisher zum Wohle unseres Volkes hast gelingen lassen …«
    Sophie Scholl konnte sich bei ihrer Konfirmation Palmsonntag 1937 im Einklang mit ihrer Kirche fühlen, wenn sie die braune Uniform trug und damit das positive Miteinander von Christentum und Nationalsozialismus demonstrierte. Ihrem HJ-Eid getreu, stand Sophie Scholl am Altar der Pauluskirche zu dem, was sie geschworen hatte und was ihrer Persönlichkeit entsprach: kein Blatt im Wind, sondern stark und ehrlich zu sein und vor allem – gerade. Mochte die Masse gestern, als es opportun war, in die Kirche gegangen sein und heute, wo es der Partei nicht mehr genehm war, austreten: Sophie Scholl fühlte sich nicht zur Masse gehörig, sondern zur Elite.
    Die auf den ersten Blick spektakuläre Geschichte vom Palmsonntag 1937 klärt sich, wenn sie in das gesellschaftlich-politische Umfeld gestellt wird. Nicht nur die Kirche stützte – naiv, geblendet, verführt, aber auch vom Machtbewusstsein getrieben – die nationalsozialistische Politik und begrüßte deren Erfolge. Nicht nur die große Masse stimmte in den Jubel ein, sondern auch viele von denen, die sich zur Elite zählten und eines späteren Tages gegen diese Politik Widerstand leisten und ihr Leben riskieren würden. Zum Beispiel der Berufsoffizier Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der selbstbewusst in Uniform zur Heiligen Messe ging.
    Seit er sich am 30. Januar 1933 in Berlin auf der Straße und in Uniform spontan für den neuen Reichskanzler Hitler begeistert hatte, warb er – bei aller Kritik – für das »neue Deutschland«. Claus Schenk Graf von Stauffenberg begrüßte – wie das gesamte Offizierskorps – die Dynamik in Richtung Revanche für die Niederlage von 1918. Er hoffte auf ein »neues universales Reich« der Deutschen, das nicht nur ein geistig-kulturelles Gebilde war, sondern die bestehenden Grenzen sprengen und Europa führen sollte. Claus Schenk Graf von Stauffenberg und sein Bruder Berthold, der ihm von den Geschwistern besonders nahe stand, bejahten in diesen Jahren 1937/38 auch die wichtigsten Pfeiler der nationalsozialistischen Innenpolitik, wie das Führerprinzip, die Volksgemeinschaft, die Reinhaltung der Rasse.
    Der international angesehene Jurist Berthold Schenk Graf von Stauffenberg konnte sich durchaus eine neue, deutsche Rechtsprechung vorstellen. Nur wenige Tage nach dem 20. Juli 1944 – nach dem verfehlten Attentat auf Hitler und dem gewaltsamen Tod seines Bruders Claus – erklärte er im Gestapo-Verhör, als engster Mitverschwörer den sicheren Tod vor Augen: »Die Grundideen des Nationalsozialismus sind aber in der Durchführung durch das Regime fast alle in ihr Gegenteil verkehrt worden.« Die Stauffenbergs, engste Jünger aus dem Kreis um den Dichter Stefan George, fühlten sich auch politisch »zur kleinen schar berufen«, die die wahren Grundsätze von Hitlers Politik hochhielt. Stefan George – der »Meister« – zählte zu den Dichtern, die die Scholl-Geschwister verehrten. Inge Scholl schenkte ihrem Bruder Hans zum neunzehnten Geburtstag im September 1937 den George-Band »Stern des Bundes«. Hans Scholl bedankte sich mit dem Hinweis, es sei sehr schwer, ihn zu verstehen, aber »wir ahnen ihn, seine überragende, unantastbare, einsame Größe«.
    Hans Scholl bekam sein Buch-Geschenk in den Reichsarbeitsdienst geschickt. Er hatte fünf Tage vor Sophie Scholls Konfirmation, am 16. März 1937, sein Abiturzeugnis erhalten und war anschließend zum RAD abkommandiert worden. Die Idee, arbeitslose Jugendliche mit gemeinnütziger Arbeit zu beschäftigen, hatte sich in den zwanziger Jahren entwickelt. Doch in der Praxis setzte sich die Idee nicht durch. Die Nationalsozialisten schufen per Gesetz 1935 den Reichsarbeitsdienst, ein weiteres Instrument, um junge Menschen zu indoktrinieren.
    Der Arbeitsdienst war ein unbezahlter »Ehrendienst am deutschen Volke«. Er verpflichtete »junge Deutsche beiderlei Geschlechts ihrem Volk zu dienen« und es »im Geist des Nationalsozialismus zur Volksgemeinschaft zu führen«. 1937 war er nur für Männer von 18 bis 25 Jahre verpflichtend, vor allem, wenn sie studieren wollten; Mädchen

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