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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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spießig werden. … Ich war heut so brav … wie alle Leute in Ulm. Ich führe so ein geregeltes Leben, genau wie sie, ich bin kein Härchen anders.« Die sechzehnjährige Sophie Scholl ist eher selbstkritisch, keine Jugendliche, die im Selbstmitleid badet oder ihrem schwankenden Gefühlsleben durch extrem irrationale Eruptionen Ausdruck verleiht. Das Tagebuch durchzieht ein wehmütiger Ton. Der diffuse Abschiedsschmerz über eine Epoche, die Kindheit, die unwiderruflich vorbei ist, fällt ebenso gedämpft aus wie das sehnsüchtige Warten auf etwas Neues, das ihr Leben von nun an prägen und ausfüllen wird. Es ist, als ob die Bereiche Gefühl und Denken bei Sophie Scholl jeweils eigenständig agieren, sich nicht gegenseitig in die Quere kommen. Mögen die Gefühle stark und verwirrend sein, sie setzten das Denken nicht außer Gefecht.
    Unabhängig von den typischen Befindlichkeiten und Aktivitäten, die mit der turbulenten Zeit der Pubertät einhergehen, bewahrt sich Sophie Scholl eine realistische Sicht in ihr Inneres wie auf ihre äußere Situation. Sie anerkennt, dass sie nicht lautstark an Gittern rütteln muss, um sich von einer rigiden elterlichen Autorität zu befreien, sondern viele Freiheiten genießt. Seit über zwei Jahren ist Sophie Scholl nach der Schule fast täglich mit ihrer Jungmädel-Gruppe und Führungsaufgaben beschäftigt; fast jedes Wochenende und in den Schulferien geht sie mit den Jungmädeln oder Freundinnen »auf Fahrt«. Sie trampt mit Susanne Hirzel und übernachtet bei fremden Bauersleuten im Stroh. Und auch das haben die Eltern schließlich akzeptiert: Die Sechzehnjährige muss nicht mehr auf einen Spaziergang außer Haus gehen, um heimlich eine Zigarette zu rauchen.
    Sie hat ein bürgerliches Zuhause, aber spießig geht es dort nicht zu. Ein Brief vom Mai 1938 an ihren Freund Fritz Hartnagel bestätigt ihre Tagebucheintragungen: »Jetzt habe ich Dir aber lange genug von der Ulmer Spießergesellschaft erzählt. (Dazu zähle ich meine Familie natürlich nicht, obwohl man ja oft so richtig im Trott ist.)« Mitte Januar 1938 hatte sie ihm geschrieben: »Aber in unserer Familie herrscht ein feines Verhältnis.« Im Dezember 1938 erfährt Fritz Hartnagel von Sophie Scholl über das Weihnachtsfest: »Es ist bei uns nämlich das schönste Familienfest, und wird von allen sehr wichtig genommen.« Die bürgerlichen Fest-Rituale verlieren für sie auch während der Pubertät nicht ihren Glanz. Im Frühjahr gehört der »Muttertag« dazu. Noch einmal aus ihrem Schulaufsatz: »Dass wir ihr heute jede Hausarbeit, selbst das Kochen, abnehmen, und sie lässt sich mittags zum Kaffee und dann von uns Gebackenem einladen. Später lesen wir ihr etwas vor, wenn sie gerne will, spielen wir auch ihr Lieblingslied. Oder sollen wir einmal das alte Fotobuch hervorholen, wo all unsere Kinderbilder eingeklebt sind?«
    Auch die Geburtstage haben ihr festes Ritual: ein gemütlicher Abend, ein fein gedeckter Tisch; Sophie Scholl spielt Blockflöte, Inge begleitet sie auf dem Klavier. Manchmal wird der Abend mit einem gemeinsamen Lied abgeschlossen: »Ich trag aus Gold ein Ringelein / an meinem Goldfingerlein / beim Tanz gab mirs der Liebste / ich soll sein eigen sein.« Sophie Scholl hat der Blockflöte immer die Treue bewahrt, auch wenn sie seit den Anfängen in Forchtenberg eine sehr gute Klavierspielerin geworden ist. Die Freude und das Bedürfnis, im Klavierspiel voranzuschreiten und sich musikalisch auszudrücken, werden ihr weiteres Leben begleiten.
    Schwärmerei. Auch dies ein Stichwort aus den Lehrbüchern der Jugendpsychologie, das vor allem mit Mädchen in den Jahren der Pubertät in Verbindung gebracht wird. Vielleicht sollte man es aussortieren – wer spricht heute noch von »Backfischen« – und durch »Begeisterungsfähigkeit« ersetzen. Begeisterung, auf der Suche nach neuen Autoritäten fündig geworden zu sein: »Wir bringen jeden Montag Fräulein Frieß einen Strauß. Ich habe sie sehr gern wie selten einen erwachsenen Menschen.« Das notiert Sophie Scholl am 11. Juni 1937. Und am 22. September: »Ich habe vorgestern Fräulein Frieß besucht, und sie hat sich sehr gefreut. Ich kann sie gut leiden.« Jedes Mal geht es um die junge Biologielehrerin Dr. Else Frieß, der Sophie Scholls Bewunderung galt und die ihr großes und bleibendes Interesse an der Biologie gefördert hat.
    Inge Scholl hat aufgeschrieben, was Else Frieß ihr 1979 in einem Telefonat in Erinnerung an die Schülerin Sophie Scholl

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