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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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sagte. Sophie Scholl habe hinten in der zweitletzten Bank – »den Haarwisch ins Gesicht gefallen« – nicht gesessen, sondern buchstäblich gelegen: »So, als sei sie total unbeteiligt. Und immer dann, wenn von ihr eine Frage gefallen sei, hätte sie gemerkt, wie präsent sie sei, wie genau die Antwort. … Nein, das Saloppe hätte ihr gar nichts ausgemacht … Es sei auch selten ein Wochenende vergangen, ohne dass Sophie und Anneliese Witte vor ihrer Wohnungstür gestanden hätten mit einem großen Feldblumenstrauß.« Sophie Scholl hatte keine Hemmungen, ihre Bewunderung offen zu zeigen.
    Auch der Feldblumenstrauß ist kein Zufall. »Die Wiese« hieß das Thema eines Aufsatzes, den Sophie Scholl im Schuljahr 1937 geschrieben hat: »So wenig ich einen klaren Bach sehen kann, ohne nicht mindestens die Füße hineinzuhängen, genausowenig kann ich an einer Wiese zur Maienzeit vorübergehen. Es gibt nichts Verlockenderes als solchen duftenden Grund, über dem die Blüten der Wiesenkerbel wie ein lichter Schaum schweben … An nichts anders mehr denkend, stolpere ich die blumenüberwucherte Böschung hinab und stehe bis über die Knie inmitten saftiger Gräser und Blumen. Sie streifen meine Arme beim Niederknien, ein Hahnenfuß berührt kühl meine Wange, eine Grasspitze kitzelt mein Ohr, dass mich einen Augenblick eine Gänsehaut überrieselt.« Die Sechzehnjährige beschreibt hier persönliches Erleben auf eine Weise, die sprachliches Talent verrät.
    Am Ende wird es fast mystisch: »Wenn ich meinen Kopf wende, berührt er den rauhen Stamm eines Apfelbaumes neben mir. Wie beschützend er seine guten Äste über mir ausbreitet! Spüre ich nicht, wie unaufhörlich Säfte aus seinen Wurzeln steigen, um auch das kleinste Blättchen sorgend zu erhalten? Höre ich vielleicht einen geheimen Pulsschlag? Ich drücke mein Gesicht an seine dunkle, warme Rinde und denke: Heimat, und bin so unsäglich dankbar in diesem Augenblick.« Das klingt sehr besonders, können wir sagen, typisch Sophie Scholl? Jugendliche haben in der Pubertät nicht selten das Gefühl, in direkten Kontakt zur Natur treten zu können. Es gilt abzuwarten, ob Sophie Scholls tiefe Verbundenheit mit den Bäumen und Blumen eine jugendliche Durchgangsphase ist oder ob sie bleibt und sich als Teil ihrer Persönlichkeit erweisen wird.
    Bevor es im August 1937 auf große Fahrt in den Böhmerwald geht, gibt es ein Zeugnis. Es fällt keineswegs schlecht aus für Sophie Scholl: »Gut« in Deutsch, Geschichte, Englisch, Französisch und Musik, »Befriedigend« in Physik und Kulturgeschichte, »Genügend« in Rechnen und Mathematik. Doch das »Gesamturteil« weist wieder darauf hin, dass man von dieser Schülerin mehr erwartete: »Sophie Scholl war selbständig im Urteil und zeigte ein reges Interesse für die Gebiete, die ihr liegen. In andern ließen Fleiß und Aufmerksamkeit zu wünschen. Sie sollte gleichmäßiger arbeiten.« Das einzige »Sehr gut« im Fach Zeichnen untermauert diese Kritik. Zeichnen gehört zu ihren Lieblingsbeschäftigungen.
    1936 und 1937 illustrierte Sophie Scholl zwei Märchen ihrer Schwester Inge – »Die Kinderhexe« und »Die Zaubergeige«. Ein Selbstporträt aus wenigen entschiedenen Strichen, 1937/38 entstanden, hat sich erhalten. Dass sie in den Herbstferien 1937 darauf verzichtet, auf Fahrt zu gehen, zeigt an, was ihr Kunst inzwischen bedeutet. Mitte September schreibt Sophie Scholl ins Tagebuch: »In den Herbstferien fahr ich nach München. Gerne wäre ich auf Fahrt. Aber ich hab keine Zeit sonst, und die Kunstausstellung muss ich gesehen haben.« Mit der »Kunstausstellung« kann Sophie Scholl, die 1938 die Malerin Paula Modersohn-Becker für sich entdeckt und mit Vorliebe Kunstkarten französischer Impressionisten verschickt, von zwei gleichzeitig stattfindenden Münchner Ausstellungen nur eine gemeint haben.
    Am 18. Juli 1937 begann in München – »Hauptstadt der Bewegung«, wie Adolf Hitler die Stadt an der Isar ausgezeichnet hatte – ein pompöses dreitägiges Fest. Im Oktober 1933 hatte Adolf Hitler den Grundstein gelegt, nun weihte er das »Haus der Deutschen Kunst« an der Prinzregentenstraße ein und eröffnete dort die »Erste Große Deutsche Kunstausstellung«. Vom Museum bewegte sich ein drei Kilometer langer Festzug »2000 Jahre deutsche Kultur« in die Innenstadt, darunter Prunkwagen zum »Germanischen Zeitalter«, zu »Vater Rhein« und »Richard Wagner«, und am Zugende marschierten Wehrmacht und SS.
    In Berlin

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