Sophie und der feurige Sizilianer
sind jung, frisch, unverblümt … und Sie haben kein Gepäck.“
Während er das sagte, verspürte Marco plötzlich so etwas wie Neid … und Trauer.
Neid, weil er sich selbst von dieser jugendlichen Unbekümmertheit, die an Naivität grenzte, und der Freiheit, die damit verbunden war, so meilenweit entfernt fühlte. Und Trauer, weil dieser Zustand auch für Sophie Balfour nicht ewig andauern würde.
Das Leben würde auch ihren Blick zynisch werden lassen, ihre Stimme sarkastisch klingen lassen und Falten in die glatte, samtene Haut graben.
Doch in diesem Moment war ihr Blick noch klar und aufrichtig, und ihre Haut …
„Zurück zum Geschäft“, entschied er barscher als beabsichtigt. „Vertreter Ihrer Branche erliegen erfahrungsgemäß schnell dem Diktat des Zeitgeists. Sie versuchen zu verkaufen, was gerade en vogue ist. Ich bin nicht interessiert an der aktuellen Modefarbe oder einem bestimmten Stil. Was das Heim meiner Familie betrifft …“
Marco suchte nach Worten, sah sich aber außerstande, seine tiefe Leidenschaft für den ererbten Besitz auch nur annähernd zu beschreiben. Seit seiner unglücklichen Heirat war es ihm zur Gewohnheit geworden, echte Gefühle hinter ätzendem Sarkasmus zu verstecken.
Inzwischen wusste er nicht einmal mehr, ob diese Emotionen längst tot und begraben waren oder ob sie nur tief in seinem Unterbewusstsein schlummerten. Doch allein die Tatsache, dass er darüber so kühl und abstrakt nachdenken konnte, sprach eigentlich für Ersteres.
„Was ich brauche, ist jemand, der in der Lage ist …“
Fast hätte er gesagt: mich daran zu erinnern, was ich einst gefühlt habe .
Als er Sophies eindringlichem Blick begegnete, senkte er die Lider. „Ich bin Sizilianer“, erklärte er abrupt.
„Ich nicht!“ Das war alles, was sie erwiderte.
Überrascht schaute Marco hoch auf ihren weichen Mund, dessen Winkel nach unten zeigten. „Seltsam, immer wenn Sie etwas sagen, erscheinen Sie ungeheuer spontan, aufrichtig und … voller Leidenschaft.“
„Das ist weniger Leidenschaft als Frust und Verzweiflung.“
Sein Gesicht verschloss sich wieder, der Blick wirkte plötzlich gelangweilt. „Ständige Selbstkritik ist ziemlich ermüdend. Hat Ihnen das noch niemand gesagt, Miss Balfour?“
Sophie riss sich zusammen. Fast hätte sie vergessen, mit wem sie hier sprach. Marco Speranza war ein Klient, ein sehr wichtiger sogar! Und er hatte recht. Sie benahm sich kein bisschen professionell, sondern wie ein trotziges, verzogenes Kind.
Von klein auf hatte sie dieses Verhalten als Schutzmechanismus eingesetzt. Schlag zu, bevor der andere dich trifft. Nimm mögliche Kritik vorweg, damit du nicht immer wieder aufs Neue verletzt wirst, lautete ihre Devise.
Ironischerweise musste erst ein völlig Fremder sie darauf aufmerksam machen, dass ihre Taktik vielleicht doch kein so kluger Schachzug war, wie sie es sich immer gedacht und erhofft hatte.
„Ist es Ihnen wirklich ernst damit, uns den Auftrag zu geben?“, fragte sie ruhig.
Marco tat, als müsse er einen Moment überlegen. „Nur zu den genannten Bedingungen“, erwiderte er dann.
Bedauernd schüttelte Sophie den Kopf. „Selbst wenn ich wollte, würde Amber nie zustimmen. Wie Sie ja inzwischen wissen, gehöre ich nicht zum engsten Kreis ihrer Mitarbeiter. Im Londoner Designstudio sortiere ich Stoffmuster und andere Materialien, kümmere mich um Bestellungen und … klar herausgesagt, bin ich eigentlich das Mädchen für alles.“
„Sie meinen, dass Sie arbeiten und die anderen den Erfolg dafür einheimsen?“
Lieber Himmel! Hörte sie sich vielleicht schon wieder so an, als würde sie bewusst tiefstapeln? Dabei war sie doch nur ehrlich. Andererseits … würde ein Mann von Marco Speranzas Format jemals verstehen können, wie sie sich fühlte? Besonders im direkten Vergleich mit ihren attraktiven Schwestern? Sosehr Sophie sie auch liebte, sie konnten ganz schön überwältigend sein.
„Dass ich keinen gesteigerten Wert darauf lege, ständig im Mittelpunkt zu stehen, macht mich noch lange nicht zum Fußabtreter für andere!“
Das feindselige Funkeln in den wundervollen blauen Augen entlockte Marco ein Lächeln. „Natürlich nicht. Es lässt allerdings vermuten, dass Sie ängstlich und unsicher sind, was Ihre Fähigkeiten betrifft.“
„Ich bin absolut nicht ängstlich!“, empörte sich Sophie. „Ich muss nur nicht alle zwei Minuten gelobt und hofiert werden, um mein Ego aufzubauen, so wie …“
„Wie wer?“
Sie
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