Sophies Kurs
quer durch die Bar auf die Veranda hinaus.
Draußen strahlt grelles Sonnenlicht hernieder, durchflutet jeden Winkel der Veranda, ohne aber die geringste Spur von Mr. Crii zutage zu fördern. Captain Thrace geht an leeren und besetzten Tischen vorbei zum honigfarbenen, vier Fuß hohen Geländer, das aus beindicken Bambusstangen gefertigt ist. Der Captain stützt die Arme darauf und blickt stirnrunzelnd hinunter in den Dschungel.
Der Morgennebel hat sich verzogen. Hier oben vom Plateau aus meint man auf eine ausgedehnte Wirrnis aus zottigen grünen Ranken und Spinnweben zu schauen. Aus den engen Spalten der perlmuttfarbenen Klippe sprießen und quellen Ringelblumen, überziehen die Türmchen der Kampanilen, die durch das Netz der Baumwipfel ragen. Ihre weiß fluoreszierenden Spitzen sehen aus, als seien sie in dieser Minute gedrechselt worden – aus weicher weißer Seife. Weiter unten erstrecken sich Gesteinssockel aus rotem Onyx – zehntausend an der Zahl mit Urnenblumen, Majolika-Schalen, Versteinerungen von riesigen Strandschnecken und falschen Amethysten – bis hinunter zum gewundenen Lauf des türkisfarbenen Flusses. Gigantische beigefarbene Tulpen sind weit geöffnet der alles durchdringenden Sonne ausgesetzt. Ihre Kelche schimmern gelblichweiß wie das Fruchtfleisch von Bananen.
Captain Thrace sieht in diesem Augenblick natürlich alles purpurfarben: die Bäume, die Kristalle, die Tulpen. Die Schönheit der Aussicht, die Rossetti zu Tränen rührte, geht ihm durch das metallische Glas des Sichtschirms verloren, der die Augen vor der blendenden Grelle des Sonnenlichts schützt. Niemand außer Piloten würde sich einen solchen Ort hier oben, hoch in den Anden der Venus, für ihre Zusammenkünfte aussuchen.
Die Luft, in dieser Höhe rein und klar, riecht trotzdem zerstörerisch nach Arsen-Gasen und Molybdän-Salzen. Sie kann die Lungen eines Novizen in Minutenschnelle verätzen. Sein Beruf als Captain hat ihm die Schleimhäute zu Leder gegerbt, und doch spürt er noch das Prickeln in der Nase. Diese Welt war es, sinniert er, von der vor fünfzig Jahren das Fieber kam, das wie ein Feuersturm durch die Hauptstädte auf der Erde brauste. Er schneuzt sich in sein Taschentuch.
Im selben Augenblick hört er jemand seinen Namen rufen. Er wischt sich die Nase ab und dreht sich um. An einem Tisch keine zehn Yards entfernt sitzt ein Mitglied der Gilde, das er noch aus den guten alten Tagen kennt. Der Mann hat der herrlichen Aussicht den Rücken zugekehrt. »Dixon«, ruft der Captain und geht, während er sein Taschentuch verstaut, am Geländer entlang auf den Mann zu.
Ohne Mütze, im Sonnenlicht schwitzend, grinst Captain Dixon seinem alten Schiffskameraden entgegen. »Was hat dich denn hierher verschlagen?« fragt er leutselig.
»Ich suche meinen Piloten«, brummt Captain Thrace. »Du sitzt hier fest?«, fragt der andere. »Du hast die Tide verpaßt.«
Das weiß Captain Thrace selbst sehr gut. Er muß unwillkürlich an Mr. Cox denken, an die sarkastischen Vorwürfe, mit denen der ihn überschütten wird, sobald er wieder an Bord ist. Als ob das seine Schuld wäre! Er klatscht die Hände auf das Geländer, grunzt »H'rrumph« und spuckt gereizt auf den schimmernden Dschungel hinunter.
Müßig läßt Dixon den Blick über die Gesellschaft auf der Terrasse schweifen. Ein indischer Kellner geht an der Reihe der verkrüppelten Veteranen in ihren Liegestühlen vorbei. Montmorency aus dem Procyon-Korridor hat die Ellbogen auf die Tischplatte gestützt und starrt durch seinen Sichtschirm auf einen Klumpen durchsichtigen Gelees, der ihm gegenüber in einem Glasbehälter schwimmt. Auf dem Tisch zwischen ihnen liegt ein Schachbrett.
»Wer ist dein Mann?« fragt Dixon.
»Mr. Crii.«
»Ach.« Dixon verzieht das Gesicht und setzt ein süffisantes Grinsen auf. »Der Albatros der Asteroiden«, knurrt er ungnädig. Unter dem Tisch tritt er gegen einen freien Sessel. »Setz dich, alter Freund«, brummt er. »Trink eine Tasse Tee.«
Ohne Thrace' Antwort abzuwarten, bestellt er bei einem Kellner mehr heißes Wasser und eine zweite Tasse. Mürrisch fügt sich Captain Thrace der unerwünschten Einladung und setzt sich. Über die Schulter seines alten Kumpels kann er einen Teil des glitzernden Tales sehen. Hätte er ein Teleskop, könnte er dem Lauf des türkisfarbenen Flusses folgen, der durch das üppige Grün mäandert und schließlich darin verschwindet. Ein Schwarm Libellen steigt auf, von irgend etwas aufgescheucht.
»Wie
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