Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
Vom Netzwerk:
die Stadt zündet die Laternen an und macht sich bereit, sich in Schlaf zu trinken. Als ich damals dort eintraf, wobei ich Alexis mit meinen Absätzen zur Eile trieb, hörte ich einen jungen Mann singen:
     
    Tu m'as appris a t'aimer
    Mais voilä que tu t'es envolée
    L'élu est mon frre
    Que mon sort est amer.
     
    Drinnen im Laden war außer dem Sturm nichts zu hören. Ich saß dort auf dem Mülleimer und lauschte den Sandkörnern, die gegen das Dach und die Wände hämmerten. »Hört sich an wie Regen«, sagte ich.
    Der Händler zwirbelte seinen Schnurrbart. »Hier draußen gibt's keinen Regen«, sagte er, als ob ich das nicht wüßte. Hier hat es noch nie geregnet, sagen die Einheimischen, jedenfalls nicht in Svaufvaast. Kein Tropfen, seit sich der erste Mann aus den Dünen erhob und die Historie ihren Anfang nahm.
    Der Sturm hielt an, und ebenso die Dunkelheit. Im Büro neben dem Handelsposten zünden die Angestellten die Lampen an und kehren an ihre Schreibtische zurück, wo sie ihre unwilligen Schreibstifte vor und zurück bewegen, wobei ihre Blicke immer wieder zu den eingeborenen Sklaven schweifen, die dürr und bewegungslos in der Ecke hocken. Die Sklaven kauen Moos. Das tun auch ihre Herren. Die Stunden hier sind lang und öde. Man wird seltsam hier. Man beginnt Dinge zu wissen, von denen man nicht weiß, woher man sie weiß – wie zum Beispiel die Sache mit den Angestellten und den Sklaven.
    Das Leben auf dem Mars ist zermürbend, es macht einen fertig. Nach einer gewissen Zeit findet der schwere rote Sand, der sich in die Falten deiner Kleider und deines Körpers setzt, seinen Weg in dein Hirn, in deinen tiefsten Schlaf, reibt dich auf und macht dich zu seinem Eigentum. Du weiß zwar noch, was mal in Toulon oder Towcester natürlich und vernünftig war, aber die Orte sind fünfzig Millionen Meilen weit weg, und du lebst am Rand einer kalten Wüste aus Rost, wo tote Frauen umherwandeln und keine Fußspuren hinterlassen.
    Manchmal verhüllen ein paar Erdenmenschen nach einem Sturm ihre Gesichter und reiten in die Ulsvar hinaus, um nach Engeln zu suchen. Es ist ein günstiger Zeitpunkt, um sie zu fangen – wenn man einen findet, den der starke Wind ermüdet hat. Sie nennen das Sport, und die hier ansässigen Firmen drücken beide Augen zu, denn sie sind hier unten das Gesetz – durch ein Edikt des Kaisers. Die Kirche zürnt. Vater Matthieu verkündet dies von der Kanzel, und jedes Haupt nickt bekümmert – aber es ändert sich nichts. Wenn eins seiner Schäflein von Marodeuren verschleppt worden ist, geht Bruder Jude zu den Angehörigen, trauert mit ihnen und betet um Vergeltung. Von seiner Felskanzel höre ich ihn krächzen: »Mein ist die Rache. Mein ist die Vergeltung, sagt der Herr!« – während seine Gläubigen mit ihren Flügeln schlagen und wütend über ihm kreisen, wobei sie sich in ihrer holprigen Sprache Worte zurufen.
    Aber schon wieder erzähle ich ja rückwärts, berichte Ihnen schon von Toussous und Bruder Jude und dem Canyon de S. Charles, wo ich doch selbst noch gar nicht aus Ys entkommen und einer tödlichen Gefahr entronnen bin. Man sollte doch meinen, daß mir das Schreiben leichter fallen würde, je weiter ich mit meinem schriftlichen Bericht komme. Aber nein, weit gefehlt. Da gibt es Unterbrechungen – und Lektionen zu lernen. Über Magnetismus, Logik, über das Vermächtnis des Ptolemäus. Und dann die Versammlungen – ich hasse sie. Und sie hassen es, daß ich dabei bin, was mich wiederum in meinem Entschluß, daran teilzunehmen, bestärkt.
    Nun, wo habe ich mich denn unüberlegterweise verloren? Ach ja, in dem Verlies unter dem Schwarzen Brunnen, in den Klauen eines marsianischen Priesters, vergeblich bemüht, seinem stinkenden Atem und seinem krächzenden Gebrabbel auszuweichen.
    »Mr. Cox!« schrie ich in heller Verzweiflung, als die Gefängniswärter mir die Eisenfessel um das Bein legten. »Kommen Sie zurück! Sie können mich doch nicht so einfach hierlassen.«
    Aber die Wärter traten eine Weile auf mich ein, nahmen dann ihre Fackeln und verschwanden. Tiefste Finsternis brach über mich herein. In der Zelle roch es nach Krankheit, Verfall und Hoffnungslosigkeit. Um mich herum nur verstümmelte Engel – ich konnte sie nicht sehen oder auch nur berühren. Ich jammerte mit ihnen, flehte um Hilfe und fragte sie, was mit uns geschehen würde. Doch sie verstanden die Menschensprache nicht. Manchmal maunzte einer von ihnen schwach wie ein verwundetes Kätzchen. Ich erinnere

Weitere Kostenlose Bücher