Sophies Kurs
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wegen irgendwas, oder:
auf dem falschen Dampfer sein,
oder:
über Bord gehen,
oder:
unter den Tisch fallen.
Ich wußte nie, was diese Aussprüche bedeuten sollten, bis ich erfuhr, daß Matrosen solche Worte sagen. Sie sagen
Dem Teufel eine schmieren,
was bei ihnen soviel heißt wie die Bodenfuge im Boot mit zerfleddertem Tau und Pech zustopfen. Zugegeben – was der Teufel davon hat, weiß ich nicht.
Vielleicht hatten wir alle zuviel Rauch eingeatmet. Aber bestimmt war ich die einzige Person gewesen, die sich falsch verhalten und ein solches Theater gemacht hatte. Trotz des Halbdunkels konnte ich sehen, daß viele Leute den Kopf senkten und die Augen bedeckten. Auch hörte ich unterdrücktes Schluchzen. Aber Gentlemen haben in der Kirche einer anderen Spezies nicht aufzufallen. Also hockte ich ebenfalls wie zur Salzsäule erstarrt auf meinem Sitz und sagte zu mir selbst: Das war Er. Das war Gott.
Der Singsang ging weiter, doch begannen sich alle Fremden von ihren Sitzen zu erheben. In kleinen Gruppen, miteinander leise redend oder sich halblaut Grüße zurufend, schoben sie sich zu den Ausgängen.
Das Wasser im Brunnen bewegte sich noch immer und schwappte heftig gegen die Steinzunge – und ich saß noch immer regungslos wie ein Klotz – und fühlte mich ebenso kalt.
»Ben? Ben! Nun komm schon. Wir gehen!«
Mr. Cox' Stimme klang unwirsch. Er schien nervös zu sein, als fürchte er, Gott könne jeden Moment wieder auftauchen und nach Seinem Nachtisch verlangen. Mr. Cox stülpte sich den Hut auf, warf die Haselnuß-Locken zurück und hob seinen Stab wie eine Keule. »Platz da!« hörte ich ihn rufen. »Macht Platz für die Gilde. Gilden-Geschäfte, sage ich. Tretet beiseite!« Ich stolperte hinter ihm her, während sich in meinem Kopf alles drehte.
Mr. Cox bahnte uns einen Weg durch das Gewölbe, vorbei an einem Herrn, der eine blasse Lady stützte. Sie hatte ein Taschentuch auf ihren Mund gepreßt. Leise redete ihr Begleiter auf sie ein und versuchte ihren Schmerz ein wenig zu dämpfen. »Nicht das Geringste«, versicherte er ihr. »Sie spüren nicht das Geringste. Sie verabreichen ihnen erst einen Betäubungstrank, damit sie nichts mehr merken.«
»Aber der arme Prinz«, jammerte die Frau mit tränenerstickter Stimme. »Wie schrecklich für ihn.«
»Tiere«, grollte ein anderer. »Es gibt kein anderes Wort dafür.« Aber er sagte das leise, damit niemand es hörte.
In dem Gewölbe herrschte großes Gedränge. Aus allen Richtungen strömten sie hier zusammen. Ich zog den Kopf ein und schloß die Augen. Jemand trat mir heftig auf die Zehen, und ich hätte beinahe laut aufgeschrien. Als ob mein Unbehagen jemanden interessiert hätte! Ich war doch nur ein dummes Ding und nicht mal dazu in der Lage, mich im Ausland aufzuhalten. Ich konnte nur denken: Das war Er. Papa hatte recht.
Mr. Cox schob seinen Arm zwischen den drängelnden Körpern hindurch und packte meinen Mantelkragen. »Hier entlang, Ben! Und beeil dich etwas!«
Aber wie konnte ich mich beeilen? Aber dann brach der Damm aus Menschenleibern, und wir wurden in den Durchgang und die Treppe hinuntergespült – stoßend, schiebend, uns entschuldigend. Schließlich fanden wir uns in einer Ecke der Eingangshalle wieder. Hier löste sich die Menge allmählich auf und verließ in kleineren Gruppen das Gebäude. Ein gelbgesichtiger schlanker Herr stülpte sich einen hübschen Seidenhut über und drängte eine Dame und einen anderen Herrn zur Eile. Als er an uns vorbeikam, grüßte er Mr. Cox mit großer Höflichkeit. »Hallo, Cox, mein Wort drauf –ich hätte wetten können, daß Sie sich hier irgendwo herumtreiben. Wie geht es Ihnen, alter Freund? Ich denke, Sie kennen die Upjohns – Mr. und Mrs. Upjohn von Helion Villa.«
Nun, es kann schon sein, daß Mr. Cox nicht gerade der geselligste Mensch war, doch er bekleidete ein öffentliches Amt und konnte, wenn er wollte, amüsant und unterhaltsam sein. Aber diesmal überraschte er mich damit, daß er lediglich den Kopf senkte, irgend etwas Unverständliches grunzte und weitereilte, wobei er mich am Ärmel hinter sich herzog.
»Sir«, beschwerte ich mich. »Sie tun mir weh.« Aber er nahm von mir ebensowenig Notiz wie von seinen erstaunten Bekannten und zerrte mich durch die Halle zu einer Steintreppe. Wir stiegen sie so rasch hinunter, daß es auf einer Welt mit größerer Schwerkraft lebensgefährlich gewesen wäre. Ich nahm an, daß er einen kürzeren Weg nach draußen kannte –und
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