Sophies Kurs
waren, denen kein Lohn gezahlt wurde, redeten sich einige der Menschen ein, es ginge ihnen noch viel zu gut. Am Zahltag feierten sie und grölten laut, wenn auch müde, hinter ihren vollen Bechern. Angekettet an eine Eisenstange in der Mitte des Hofes hielten sie sich einen Wüstenlöwen, der für sie tanzte. Dabei schlug er lediglich mit den Pranken nach einer toten Schlange, die von einem Mars-Mann, der einer Lehmflöte schrille Töne entlockte, vor seiner Nase geschwenkt wurde.
Auf der anderen Seite des Raums stand ein Fremder am Rand der Menge, die dem Löwen zusah. Der gedrungene junge Gentleman trug einen langen, staubigen Mantel und eine Strickmütze, an der ein langer Pferdeschwanz hing. Auf dem Rücken schleppte er einen Tornister und etwas, das aussah wie ein zusammengeklappter hölzerner Wäscheständer, mit sich herum.
»Wer ist das?« fragte ich.
Der Lebensmittelhändler kannte sofort alle Leute in Toussous, kaum daß sie zum ersten Mal ihren Fuß in die Stadt gesetzt hatten. »Der da? Das ist Signor Pontorbo, der Maler.«
Ich hörte mich selbst kichern. »Was für ein seltsam aussehendes Wesen«, sagte ich lachend.
Der Händler zuckte die Achseln. »Man sagt, er sei ein großer Künstler.« Er grinste und entblößte dabei einen Goldzahn. »Vielleicht bittet er dich, für ihn Modell zu sitzen, Sophie!«
Ich gab keine Antwort. Der Mann hatte irgend etwas Seltsames an sich – abgesehen von seiner äußeren Erscheinung, meine ich. Aber vielleicht war es auch nichts. Vielleicht war es auch nur die Tatsache, daß er die einzige Person auf dem Hof war, die nicht den Löwen beobachtete. Jedermann sonst beobachtete den Löwen; Signor Pontorbo beobachtete die Leute.
KAPITEL XIV
Ein unerfreuliches Gespräch
Io, der größte Mond von Jupiter, hat eine dichte, grüne Atmosphäre – tatsächlich eher Schildkröten-Suppe als Luft. Innerhalb ihrer klebrigen Umarmung spucken und rauchen die berühmten Vulkane und erbrechen ihren Tribut an Staub und Rauch in diese Brühe. Thermiken schlagen unermüdlich aufeinander ein, heftige Winde springen auf, zwingen die trägen Gase mal in diese, mal in jene Richtung und versprühen rot-glühende Schlacke über die Bimsstein-Einöden. Ist es nun Tag oder Nacht? Auf Io ist der Unterschied kaum erkennbar. Der Himmel, wenn man ihn denn mal sehen kann, ist voller Monde.
Natürlich gibt es kein Leben auf Io, nicht das geringste. Die einzigen wilden Tiere, auf die man von Pol zu Pol stößt, sind Steinböcke – eine weit verstreute Herde. Sie sehen tatsächlich mit ihren gewundenen Schwänzen und den gehörnten Köpfen beinahe so aus wie diese Exemplare in der Menagerie der Astrologen. Sie wandern in Herden von Mond zu Mond und fallen hin und wieder auch auf Io ein, um mit ihren Stahlfeilen-Zungen das Salz vom Boden zu lecken. Es sind die sechs Inch großen Schuppen, die man im Nebel unterhalb von Hunchback Fell über den Fels kratzen hört, wenn die Steinböcke dort weiden.
Intelligente Lebewesen meiden den Ort völlig. Selbst die Hrad, die auf Callisto zechen und auf Ganymed spielen, mögen Io nicht. Seit der Aufpflanzung des Union Jack wurden dort keine Städte gebaut, keine einsamen Observatorien, nicht mal eine Strafkolonie eingerichtet. Auf dem ganzen Mond gibt es ein Gebäude – und nur dieses eine. Es steht nicht weit von Hunchback Fell, und schimmert weiß durch die Trübe wie ein frischgebackener Hochzeitskuchen. Es ist ein Herrenhaus aus weißem Marmor.
Tatsächlich hat es mit seinen kannelierten Pilastern und dem Schneckengesimse, seinen gebogenen Schutzwällen und den Stuckputten ziemlich viel Ähnlichkeit mit einem Hochzeitskuchen. Nur zwei Stockwerke sind sichtbar, die anderen reichen tief in die Erde, durch Erdgeschoß und Untergeschoß bis in einen weiten galerieförmigen Keller ohne Boden. Darunter liegt eine Grube, eine Verwerfung in der Kruste, von unbekannter Tiefe und mit ständig schwankenden Temperaturen. Im Dunkeln glüht sie manchmal rötlich und orange.
Das Haus war von einem österreichischen Architekten gebaut worden, der über dieser Arbeit verrückt wurde und starb, ehe er den Trabanten verlassen konnte. Teile des westlichen Hauptflügels brachen vor wenigen Jahren zusammen, und die Statuen an den Wänden sind arg verwittert, doch ansonsten hat sein Werk Bestand. Es ist ein schönes Heim – für jemand, dem der Ort, wo es steht, gefällt.
Wer könnte wohl den Auftrag gegeben haben, ein solches Haus an diesem Ort zu bauen, dem es an
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