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Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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weichem Haar und Flaumfedern ausgepolstert.
    Jeden Morgen wachte ich auf und dachte, meine Eiderdaunen seien auseinandergefallen. Doch dann roch ich den beißenden Duft der Engel und mußte bei dem Gedanken lächeln, daß die Schwestern uns gelehrt hatten, jeden Abend zu den vier Schutzengeln zu beten. Und nun lebte ich mit meinen hier tatsächlich zusammen.
    Eines Morgens erwachte ich. Kaum einer verließ die schützenden Höhlen, und die wenigen, die sich hervorwagten, schoben sich dicht an den Canyonwänden entlang oder hüpften von Höhle zu Höhle und krächzten dabei furchtsam. Der Himmel war klar, ohne jedes Anzeichen für einen Sturm. Ich kroch aus meiner Behausung und sah nach oben. Ich sah die Wachtposten, sie flogen schnell und tief heran. Einer bemerkte mich und landete vor mir auf dem Rand der Klippe. Es war Hercule, Elises Gefährte.
    »Sso-o-ophie«,
warnte er mich.
»Pr'nez ga-arde!
Räuber!«
    Ich sah zu der Stelle, auf die er wies. Oben am Rand des Canyons erkannte ich die Silhouetten von vier oder fünf Männern, die auf Eidechsen ritten. Sie sahen eher aus wie Bergleute, nicht wie Banditen, und ich konnte erkennen, daß sie Spitzhacken und Brecheisen mit sich führten. Mir wurde klar, daß das dünne Krächzen der Engel in der Luft ein Warnruf war.
    »Was sind das für Leute, Hercule?«
    Er knirschte mit den Zähnen und beobachtete den Canyon-Rand mit seinen Schildpatt-Augen.
»Cherchent escla-aves ...«
    Die Minengesellschaften lassen wilde Engel in ihren Minen schuften, wenn sie ihrer habhaft werden können. Engel sind stärker und, wenn man ihnen die Flügel gestutzt hat, fügsamer als jeder menschliche Minenarbeiter. Sie arbeiten gleichmäßig und unermüdlich. Ein Engel gibt einen guten Sklaven ab – aber nicht sehr lange, denn er arbeitet sich selbst zu Tode.
    »Du solltest verschwinden, Hercule, und in den Raum aufsteigen.«
    Aber Hercule warf nur ablehnend den Kopf zurück, daß sein Haar um sein edles Gesicht flatterte, und schwang sich wieder zu seinem Beobachtungsposten auf.
    Später, nachdem die räuberische Bande, ohne uns zu behelligen, weitergezogen war, arbeitete ich mit Bruder Jude im Garten. »Das Schiff, das mich hergebracht hat, hatte einen Engel-Piloten«, sagte ich zu ihm.
    Er hob die Hände zu einer Lobpreisung. »Die Engel des Ostens«, rief er. »Ach, Sophie, welch ein Wunder wäre es, wenn einer von unseren jemals so weit käme.« Er kicherte. »Was meinst du? Schau dich um. Kannst du etwa erkennen, daß Elias sich auf sein Doktorat vorbereitet? Oder daß Gaston gerade lernt, wie man ein Schiff fliegt?«
    »Wieso eigentlich nicht?« Gaston wußte seinen Namen und beherrschte bruchstückhaft das Multiplizieren. Ich war der Ansicht, man sollte ihn ans Ruder eines Raumschiffs stellen und dann sehen, was er damit anstellte.
    Bruder Jude wischte meinen Optimismus mit einer Handbewegung beiseite. »Im Osten sind sie zivilisiert«, brummte er nur.
    Es war schon schwierig zu verstehen. Die Angehörigen dieses Schwarms hier fingen Fledermäuse in der Luft und fraßen ihnen die Flügel ab. Danach zerrten sie ihnen die Eingeweide heraus. Manchmal entglitten einem ein paar Brocken davon und fielen auf einen anderen Engel. Dann hackten die beiden sich gegenseitig unter dem rauhen Gelächter der anderen mit ihren Klauen blutig.
    Andererseits zeigten sich einige von ihnen, wie zum Beispiel Gaston und Gabrielle, am glücklichsten, wenn Bruder Jude oder ich in der Nähe waren. Sie hatten ihre helle Freude daran, wenn sie uns einen Streich spielen konnten. Gaston schwebte gern lautlos von hinten an mich heran, packte mich unter den Achseln und flog mit mir langsam und zielsicher zum höchsten Punkt des Canyonrandes, wobei er mich fest an seine Brust drückte. Wenn ich dann hilflos unter seinen heftig schlagenden Flügeln hing, die Kraft seiner Arme und die unglaubliche Hitze seines Körpers in meinem Rücken spürte, begann mein Herz zu rasen, und mich überfiel eine Erregung, die ich überhaupt nicht verstand. Ich hielt es für Angst, für die Angst vor einem Absturz.
    Bruder Jude machte sich immer Sorgen, wenn er mich so in Gastons Umarmung fliegen sah. »Sieh nur, unser kleines Starenmädchen«, knurrte er dann. »Gaston, setz sie ab! Bring sie sofort herunter!«
    Gaston und Gabrielle waren meine Freunde wie auch Therese, doch der größte Teil des Schwarms interessierte sich nicht dafür, wer ich war oder wieso ich bei ihnen lebte. Wenn ein Engel unerwartet im Freien über mich

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