Sophies Kurs
mit wichtigeren Dingen beschäftigt, als Ihre Zeit an eine diebische Göre zu verschwenden.« Die letzten Worte spricht er mit besonderer Betonung.
»Ihre Entschuldigungen langweilen mich, Cox«, fährt ihm Lord Lychworthy grob über den Mund. Er läßt den verräterischen Ring in die Tasche gleiten. »Aber was soll's? Zur Hölle mit Ihnen, zur Hölle mit dem Kind. Gehen wir in den Salon.« Der Earl erhebt sich und schiebt den Sessel zurück. »Reden wir über angenehmere Dinge.«
Mr. Cox ist erleichtert, bleibt aber wachsam. »Mein Bericht wird alles erklären, Sir«, beginnt er erneut.
»Das will ich hoffen, Cox. Und nun vergessen Sie den verdammten Bericht. Genehmigen wir uns einen Whisky.«
Sie gehen in den Salon und sprechen von Geschäften, den Dreifaltigkeits-Rennen um die Venus und dem neuen Rekord bei einem Polar-Orbit. Dabei trinken sie vorzüglichen Malz-Whisky und stoßen auf die Vorfahren von Mr. Cox an. Lord Lychworthy spricht sogar einen Toast auf sie aus. »Mögen sie Sie als ihren geliebten Sohn willkommen heißen«, meint er dunkel.
Mr. Cox ist nun wirklich erleichtert. Der Lord hat ihn vom Haken gelassen. Er ist sehr müde, und es fällt ihm schwer, alles zu verstehen. Die Augen fallen ihm beinahe zu, und sein Blick wird verschwommen. Er denkt, es ist der Dampf aus dem Untergrund, der mit der warmen Luft durch den Rauchfang aufsteigt. Er blinzelt und reibt sich die Augen. Lord Lychworthy scheint gerade die Geschichte von einem Fuchs und einer Herzoginwitwe zu erzählen. Mr. Cox will ihn unterbrechen, um sich zu entschuldigen und den Raum zu verlassen, aber es ist ihm, als sei sein Mund zugerostet. Kein Wort bringt er hervor. Er bemerkt noch den Diener Fortescue, der auf einmal hinter seinem Sessel steht, dann versinkt plötzlich alles um ihn herum in einem großen schwarzen Strudel, der Mr. Cox in die unendliche Tiefe saugt, aus der er nie mehr auftauchen wird.
»Bring ihn hinunter«, sagt Lord Lychworthy, und der alte Mann hievt sich den Leichnam auf die Schulter. Er wird Mr. Cox im Keller verbrennen – wie den österreichischen Architekten und all die anderen, die so dumm waren, in diesem Gebäude zu sterben. »Und säubere auch die Gläser, wenn du fertig bist. Ich möchte, daß du dich danach zur
Stratagem
begibst und mir diesen Bericht und alle sonstigen Schriftstücke bringst. Durchsuch auch die Geheimfächer. Gott verfluche diesen Kerl!«
Der Earl nimmt den Ring aus der Tasche und betrachtet ihn. Der Kristall sprüht im Feuerschein, klar und rein. Es hatte immer nur diesen einen Ring gegeben, und immer nur diesen einen Fehler – in einer Zeit des jugendlichen Überschwangs und der Torheiten. Lord Lychworthy schiebt sich den Ring über den Finger, von dem er ihn von vornherein nicht hätte abziehen sollen, und leert sein Whiskyglas mit einem Zug. Dann bleibt er noch einen Moment sitzen, spielt mit seinem Schnurrbart und lauscht den Winden von Io, die endlos um und über sein Haus fegen. Er glaubt den Boden wie von einer weit entfernten Erschütterung unter den Füßen beben zu spüren. »Nichts dem Zufall überlassen«, murmelt er säuerlich.
Dies ist die inoffizielle Losung des Altehrwürdigen und Umsichtigen Ordens. Wie lange sollte er noch bezahlen für einen dummen, trivialen, unbedeutenden Fehler?
Fortescue kommt mit dem Tablett zurück, um die Gläser zu holen. Im ganzen Haus deutet nichts mehr auf Mr. Cox' Besuch hin - als sei er nie hier gelandet. Aber sein Posten ist vakant, und kein Ersatz zur Hand - noch eine lästige Angelegenheit, die erledigt werden muß. Lord Lychworthy fragt sich, wie Cox das Mädchen wohl gegen ihn hatte benutzen wollen tot oder lebendig. Jetzt ist es so gut wie tot, ganz gleich, ob hinter den Mauern des Konvents oder anderswo. Der Earl hat seinen Spürhund auf die Kleine angesetzt, der sie sich jetzt sicher gerade vornimmt.
KAPITEL XV
Die Gesellschaft und
der Künstler
Als ich noch in S. Sébastien war, hat uns Schwester Dominique von den Mohammedanern erzählt. Die Gefolgsleute des Propheten Mohammed glauben, daß die Bestimmung jedes Lebenden auf der Innenseite seiner Stirn festgeschrieben ist. Es braucht einen wirklich heiligen Mann, um sie nur zu sehen, und allein der Engel Azrael kann sie lesen. Ich habe mich manchmal gefragt, ob Mr. Crii wohl meine hat lesen können. Ich erinnere mich, daß er mich an Bord der
Unco Stratagem
immer mit einem besonderen Gesichtsausdruck angesehen hat - was ich für eine schelmische Drohung hielt. Er hob
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