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Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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Ich bat ihn, vorauszugehen und Kappi zu fragen, wie Papas Zustand war. Doch dann rief ich ihn zurück. »Bruno, wo haben Sie Ophiq sprechen gelernt?«
    Er lächelte nur breit, sagte aber nichts.
    Ich folgte ihm mit dem Blick. Der Saum seines Mantels schwang beim Gehen sanft auf und ab. Die Straße, die ich auf allen Welten am besten zu kennen glaubte, bekam durch seine Anwesenheit etwas Geheimnisvolles – als sei er ein Wesen, an das man vorher nicht gedacht hatte, eine außerirdische Kreatur, die zu ihr keinen Zutritt haben sollte. Sein breiter Rücken und der lange Mantel verdeckten die schmale Tür der Hütte. Nicht einmal Kappi konnte ich sehen, als er sie öffnete.
    Einen Augenblick lang waren nur leise Pfeiftöne zu hören. Dann drehte sich mein Bote um und winkte mir zu.
    Papa hatte sich beruhigt, und auch sein Gesicht zeigte etwas Farbe. Kappi mühte sich, das Feuer im Ofen zu schüren, und Bruno ging zu ihm, um ihm zu helfen.
    »Papa.«
    »Dieser Schmerz, Sophie ...«, sagte er mitleidheischend. »Solch ein unbeschreiblicher Schmerz ...«
    »Ja, Papa.« Ich beugte mich zu ihm, kniete aber nicht mehr nieder. »Ich muß wieder weggehen, Papa. Ich bin nur gekommen, um auf Wiedersehen zu sagen. Ich gehe zum Jupiter – mit Signor Pontorbo.«
    Papa griff nach meinem Ärmel, zog sich leicht im Sessel hoch und sah mit glasigem Blick zu Bruno hinüber. Offenbar konnte er sich nicht mehr erinnern, ihn noch vor wenigen Minuten gesehen zu haben. »Wer ist das, Sophie? Ist das der Mann, dein Reiseonkel mit dem Eisenkinn?«
    »Nein, Papa, das ist Signor Pontorbo.« Doch er hörte mir nicht zu.
    »Ich kenne Sie, Sir!« sagte er langsam und verträumt.
    Er zog die Hand unter der Decke hervor und wies zitternd auf Bruno. »Sie sind der junge Stutzer, dem die Malzzucker-Barke gehört. Sie sind der Schurke, der sie weggeschleppt hat ...«
    »Nein, Papa. Hör mir zu.«
    Er sah zu mir hoch und lachte dann senil. »Jupiter! Auf Jupiter gibt es nichts außer Schlachtfeldern und Regen, der einem die Haut wegfrißt. Wozu willst du zum Jupiter?«
    »Um die Wahrheit zu erfahren!« Dabei vermied ich es, zu Bruno hinüberzuschauen. Ich wollte nicht, daß Papa merkte, wie dumm ich war – daß Bruno ebenso wie er sich weigerte, mir irgend etwas zu erzählen, ich ihm aber trotzdem auf eine andere Welt folgte.
    »Die Wahrheit«, wiederholte Papa und schüttelte sich. »Man kann ihr nicht entkommen, Kind, ebensowenig wie dem Morgen, Mittag oder Abend.« Er rieb sich die Augen und fuhr mit der Hand durch die Luft, als wolle er eine Spinnwebe vor seinem Gesicht beiseitewischen.
    Ich legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ich bin nicht deine Tochter. Das weiß ich«, sagte ich rasch. »Daher brauchst du dir um mich auch keine Sorgen mehr zu machen. Ich trage jetzt einen neuen Namen – den Namen meiner Mutter. Ich bin jetzt Sophrona Clare, in Ordnung?«
    Er murmelte etwas, und ich mußte mich ganz nah zu ihm beugen, um seine Worte zu verstehen. In seinen Augen tanzte die Kerzenflamme. »Ihr Name war Farthing«, hörte ich ihn sagen. »Molly Clare Farthing.«
    Ich schüttelte den Kopf und richtete mich auf. Ich war seiner abgedroschenen Lügen müde und schämte mich, daß Bruno sie mit anhören mußte. Dabei fragte ich mich, ob er sie in seiner Mohnsaft-Verwirrung vielleicht sogar selbst glaubte.
    »... der Name der Schwester von Mutter«, murmelte er.
    »Sei still, Papa. Schlaf ein wenig und mach dir darüber keine Gedanken. Wir reden weiter darüber, wenn du wieder aufwachst.«
    Ganz ehrlich, liebe Leser, ich weiß nicht, ob ich meine Worte wirklich so meinte, als ich Papa diese Versprechen gab. Er wollte noch etwas sagen, doch er schlief schon, und das Kinn sank ihm auf die Brust. Ich deckte ihn zu, zog einen Stuhl heran und setzte mich zu ihm, wie ich es immer getan hatte. Ich sah Bruno in die Augen und wußte, wir konnten uns diese Verzögerung, diese eine Schlafwache für Papa leisten, denn es war die letzte, die ich ihm zugestehen würde.
    Bruno beschwor mich, selbst ein wenig zu schlafen. »Ich kann ja bei ihm wachen«, meinte er.
    »Nein. Gehen Sie zurück an Bord. Ich werde später etwas zu essen machen. Wie spät ist es eigentlich?« »Sind Sie hungrig? Ich koche etwas.«
    »Ich habe keinen Hunger. Nun gehen Sie schon.«
    Statt dessen setzte er sich an den Tisch und zeigte auf den Ofen. »Dann werde ich auf das Feuer achten.« Er war ebenso müde wie ich.
    »Gehen Sie nach oben und legen Sie sich hin. Sie können mein Bett haben,

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