Sophies Kurs
und Rasseln gekommen. Gorch, der alte Rattenfänger, war betrunken und tanzte mit einer Frau, die nur hereingekommen war, um für die
Botschaft an die Raumfahrer
zu sammeln. Mr. Cook spielte bis spät in die Nacht, und Mrs. Cook sang dazu:
Zu
Mr. Wistys Hochzeit hat keiner sie gesehen
Im ganzen Dorf der Bräutigam nach ihr suchte
Mr.
Wisty suchte nach Dodie, am Ententeich, am Anger Doch längst entschwunden war Dodie mit dem Herzog!
Die Matrosen der
Sophrona
sangen am lautesten und kitzelten dabei die Huren, die auf ihren Knien saßen.
Mrs. Baxter hatte gesagt, Ginny Wigram würde wiederkommen. Und sie kam wieder. Sie wartete vor der Tür, als Mr. Rodney und ich am nächsten Morgen zum
Anker
kamen. Dichter Nebel, eine Londoner Spezialität, hing über dem Fluß und in den Straßen, doch ich erkannte sie an ihrer Gestalt.
Sie stand dort wie eine Messerkämpferin, die auf ihre Stunde wartet, und rührte sich nicht, als wir zu ihr traten. Nur ihr Kinn mahlte wie immer auf dem Priem in ihrem Mund herum. Sie übersah Mr.Rodney einfach und sagte zu mir: »Du mußt mit mir kommen, Sophie.«
Mein Herz machte einen Satz. Aber Mr. Rodney nahm mich an der Hand und stellte sich schützend vor mich. »Einen Moment mal, Ginny Wigram.«
Sie sah ihn ruhig an, sprach aber weiterhin nur mit mir. »Ich hatte eine kleine Unterredung mit dem Chef, und er sagte, du könntest mitgehen.«
Ich ließ Mr. Rodneys Hand los, und übersah seinen mißbilligenden Blick. »Wohin werden wir gehen, Ginny?« fragte ich.
Sie spie ihren stinkenden Tabaksaft auf die Straße. »Für dich immer noch Miss Wigram«, knurrte sie. Irgendwie mußte ich ihr Mißfallen erregt haben. Sie ist schon ein seltsames Wesen, dachte ich, so sehr eingenommen von sich selbst. Ich sollte mir etwas mehr von ihrer Art angewöhnen.
»Ich werde nachkommen«, wandte ich mich an Mr. Rodney. »Sie können die Krüge stehenlassen, wenn Sie wollen.«
Er zog ahnungsvoll die Brauen hoch. »Sei vorsichtig, Sophie«, meinte er. Miss Wigram war schon vorausgegangen, und so hauchte ich ihm ein kurzes Goodbye zu und eilte ihr nach in den dichten Nebel hinein.
Die Gaslaternen hatten einen Heiligenschein, und das Straßenpflaster glänzte vor Nässe. Kutschen tauchten wie Schiffe in den Wolken auf und verschwanden wieder, und das Getrappel der Hufe hallte unheimlich von den unsichtbaren Wänden wider. Miss Wigram, die etwa einen Yard vor mir ging, sagte kein Wort, nahm nicht mal meine Anwesenheit zur Kenntnis, sondern kaute lediglich den ganzen Weg bis zum
Elephant and Castle,
wo die Männer im Laden des Buchmachers standen und auf ihr Glück warteten. Wir gingen um eine Ecke. An der Wand über dem Eckladen sah ich eine Reklametafel aus Metall, die für
Simpkins Seife
warb, und darunter ein Straßenschild:
Corunna Street.
Miss Wigram spie ihren Priem in die Gosse und klopfte bei Nummer achtundfünfzig. Es war ein schmalbrüstiges altes Haus, das direkt an der Straße aufragte. Das Fenster im Salon zierte ein gelber Spitzenvorhang, und in einem Messingkäfig hockte eine ausgestopfte Elster. Eine alte Frau ganz in Schwarz öffnete uns die Tür.
»Ist sie wach?« fragte Miss Wigram nur.
Die Frau verzog säuerlich das Gesicht, als seien wir ihr lästig. Ich wurde nicht vorgestellt, und meine Anwesenheit fand keinerlei Erwähnung. Die alte Frau führte uns nach oben und meinte zu Miss Wigram: »Ich habe ihr gesagt, daß Sie kommen.« Im obersten Flur klopfte sie gegen eine Tür.
»Besuch für Sie, Mrs. Rose«, rief sie und öffnete die Tür. »Ich glaube, Sie hätten jetzt gern Ihren Tee.«
»Wer ist es, Mrs. Peggley? Ich kann es nicht erkennen.«
Das Zimmer war kleiner, als ich es mir vorgestellt hatte, und wahrscheinlich sogar noch unterteilt, um mehr Logiergäste unterbringen zu können. Die Hälfte des Zimmer nahm ein Bett ein, in dem aufrecht eine winzige Frau saß, die eine Nachtmütze mit bunten Bändern trug und jetzt nach einer Brille griff. Ihre Stimme klang sehr alt. Sie war nicht meine Mama, das wußte ich sofort. Ich fragte mich, ob sie vielleicht meine Großmutter sein könnte. Sie hatte ein müdes, bleiches Gesicht. Vermutlich verließ sie nie das Bett.
Mrs. Rose befestigte umständlich die Bügel ihrer Brille hinter den Ohren. »Bist du das, Ginny? Als Mrs. Peggley es mir erzählte, wollte ich es kaum glauben. Natürlich wäre ich gekommen, aber du weißt - mein Ischias.« Sie sprach keuchend mit einer hohen Fistelstimme, als bereite es ihr große Schmerzen, ihre
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