Sorge dich nicht - lebe
Anwaltshonorar.
Doch er konnte immer noch nicht richtig schlafen. Er las halbe Nächte lang und stand um fünf Uhr auf und diktierte Briefe. Wenn die anderen Leute schließlich anfingen zu arbeiten, war sein eigenes Tagespensum bereits zur Hälfte erledigt. Sam Untermyer wurde 81 Jahre alt, dieser Mann, der kaum eine Nacht durchschlief. Aber wenn er über seine Schlaflosigkeit ständig nachgegrübelt und sich Sorgen gemacht hätte, würde er sich sicherlich sein Leben ruiniert haben.
Ein Drittel unseres Lebens schlafen wir – aber niemand weiß genau, was Schlaf eigentlich ist. Wir wissen, dass es eine Gewohnheit und ein Zustand der Ruhe ist, in dem die Natur unseren durch Ängste und Sorgen aufgetrennten Ärmel wieder hochstrickt, doch wir haben keine Ahnung, wie viel Stunden der Einzelne schlafen muss. Ob wir überhaupt Schlaf brauchen !
Nichts als Phantasie? Nun, im Ersten Weltkrieg wurde Paul Kern, einem ungarischen Soldaten, durch den Stirnlappen des Großhirns geschossen. Er überlebte die Verwundung, doch seltsamerweise konnte er nie mehr schlafen. Gleichgültig, was die Ärzte unternahmen – und sie probierten alle Arten von Beruhigungs- und Betäubungsmitteln aus, sogar Hypnose –, Paul Kern konnte nicht zum Schlafen gebracht werden. Er wurde nicht einmal schläfrig.
Die Ärzte prophezeiten, dass er nicht lange leben werde. Doch er täuschte sie. Er fand Arbeit und war noch jahrelang gesund und munter. Er pflegte sich nur auszustrecken und die Augen zu schließen und zu ruhen, denn schlafen konnte er nicht. Sein Fall blieb ein medizinisches Rätsel, das viele Hypothesen über den Schlaf umwarf.
Manche Menschen brauchen weit mehr Schlaf als andere. Der italienische Dirigent Arturo Toscanini brauchte nur fünf Stunden Nachtschlaf, Calvin Coolidge, der dreißigste Präsident der Vereinigten Staaten, dagegen mehr als das Doppelte. Coolidge schlief regelmäßig elf von vierundzwanzig Stunden. Mit anderen Worten, Toscanini verschlief etwa ein Fünftel seines Lebens, Coolidge fast die Hälfte.
Sich über Schlaflosigkeit Sorgen zu machen, schadet viel mehr als die Schlaflosigkeit selbst. Einer meiner Studenten zum Beispiel – Ira Sandner – hätte aus chronischer Schlaflosigkeit beinahe Selbstmord begangen.
Sich über Schlaflosigkeit Sorgen zu machen, schadet viel mehr als die Schlaflosigkeit selbst.
«Ich dachte wirklich, ich würde verrückt», erzählte er mir. «Mein Problem war, dass ich ursprünglich zu fest schlief. Wenn der Wecker läutete, wachte ich nicht auf, und so kam ich oft zu spät zur Arbeit. Ich machte mir deshalb Sorgen – und mein Chef hatte mich sogar schon ermahnt, pünktlich zu sein. Ich wusste, dass ich meinen Job verlieren würde, wenn ich weiter verschlief.
Ich erzählte meinen Freunden davon, und einer von ihnen schlug vor, ich solle mich vor dem Einschlafen fest auf den Wecker konzentrieren. Damit fing alles an! Das Ticken des verdammten Weckers verfolgte mich. Es hielt mich wach, ich warf mich die ganze Nacht im Bett hin und her. Am Morgen war ich richtig krank, krank vor Müdigkeit und Sorgen. Acht Wochen ging das so. Ich finde keine Worte für die Qualen, die ich erduldete. Ich war überzeugt, ich würde durchdrehen. Manchmal lief ich stundenlang im Zimmer auf und ab, und ich überlegte mir sogar ganz ehrlich, ob ich nicht aus dem Fenster springen und allem ein Ende machen sollte.
Schließlich ging ich zu einem Arzt, den ich schon lange kannte. ‹Ira, ich kann Ihnen nicht helfen›, sagte er. ‹Niemand kann es. Weil Sie die Geschichte selbst verschuldet haben. Legen Sie sich abends einfach hin, und wenn Sie nicht einschlafen, versuchen Sie, alles zu vergessen. Sagen Sie sich nur: ‹Es ist mir völlig egal, ob ich schlafe oder nicht. Und wenn ich bis morgen früh wach bleibe – es ist mir auch recht.› Halten Sie die Augen geschlossen und denken Sie: Solange ich ruhig liegen bleibe und mir keine Sorgen mache, erhole ich mich auf jeden Fall.› Ich befolgte seinen Rat», erzählte mir Ira, «und nach zwei Wochen konnte ich wieder schlafen. In weniger als einem Monat schlief ich acht Stunden durch, und meine Nerven hatten sich wieder beruhigt.»
Nicht die Schlaflosigkeit selbst wurde Ira Sandner gefährlich, sondern die Sorgen, die er sich deshalb machte.
Dr.Nathaniel Kleitman, Professor an der Universität von Chicago, hat mehr Forscherarbeit über den Schlaf geleistet als jeder andere lebende Mensch. Er war ein Fachmann auf diesem Gebiet und erklärte, er habe
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