Sorge dich nicht - lebe
uns einem Vakuum am nächsten kommt und Sie und ich sehen können, ist das Innere einer elektrischen Glühbirne. Wenn Sie sie zerbrechen, lässt die Natur Luft in den theoretisch leeren Raum strömen.
Die Natur füllt auch unseren leeren Geist. Mit was? Gewöhnlich mit Emotionen. Warum? Weil Gefühle wie Angst, Furcht, Hass, Eifersucht und Neid von Urgewalten und den dynamischen Kräften des Dschungels angetrieben werden. Derartige Gefühle sind so stark, dass sie alle glücklichen Gedanken und positiven Energien aus unserem Kopf verdrängen können.
James Mursell, Pädagogikprofessor an der Lehrerhochschule in Columbia, drückte das sehr gut aus, als er sagte: «Sorgen und Ängste überfallen uns am heftigsten nach der Arbeit und nicht, wenn wir beschäftigt sind. Dann kann die Phantasie Amok laufen und sich alle möglichen lächerlichen Dinge ausmalen und die unbedeutendsten Kleinigkeiten ins Riesenhafte vergrößern. In solchen Augenblicken ist der Geist wie ein Motor, der keine Last zu befördern hat. Er arbeitet wie wild und kann sich unter Umständen aus seiner Befestigung losreißen oder sogar zerspringen. In seiner Arbeit aufzugehen und etwas Positives zu tun, ist das beste Mittel gegen Sorgen und Angst.»
Aber man muss kein Universitätsprofessor sein, um dies zu begreifen und danach zu handeln. Während des Zweiten Weltkriegs lernte ich eine Hausfrau aus Chicago kennen, die mir erzählte, wie sie herausfand, dass «in seiner Arbeit aufzugehen und etwas Positives zu tun das beste Mittel gegen Angst sei». Ich traf diese Frau und ihren Mann im Speisewagen, als ich von New York zu meiner Farm in Missouri fuhr.
Die beiden erzählten mir, dass ihr Sohn sich einen Tag nach Pearl Harbor freiwillig gemeldet habe. Die Frau sagte, sie habe vor Sorgen um ihren einzigen Sohn beinahe ihre Gesundheit ruiniert. Wo war er? War er in Sicherheit? Oder an der Front? Würde er verwundet werden? Getötet?
Als ich sie fragte, wie sie mit ihren Sorgen fertig geworden sei, erwiderte sie: «Ich beschäftigte mich.» Sie berichtete, dass sie als Erstes ihr Mädchen entlassen habe und alle Hausarbeit selbst erledigte. Doch das nützte nicht viel.
«Das Problem dabei war», sagte sie, «dass ich alle Arbeiten im Haus fast automatisch tat, ohne viel überlegen zu müssen. Während ich also die Betten machte oder abwusch, grübelte ich weiter. Ich erkannte, dass ich neue Arbeit brauchte, die mich geistig und körperlich jede Stunde des Tages in Atem hielt. Deshalb wurde ich Verkäuferin in einem großen Warenhaus. Es wirkte», sagte sie. «Ich tauchte unter in einem Wirbel von Aktivität. Kunden standen in Scharen herum, fragten nach Preisen, wollten Größen wissen, suchten bestimmte Farben. Nicht eine einzige Sekunde hatte ich Zeit, an etwas anderes als an meine Arbeit zu denken. Und wenn es Abend wurde, hatte ich nur noch den einen Gedanken: die schmerzenden Füße hochzulegen. Kaum hatte ich gegessen, fiel ich auch schon ins Bett und schlief sofort ein. Ich hatte weder Zeit noch Kraft, mir Sorgen zu machen.»
Sie entdeckte für sich selbst, was John Cowper Powys in Die Kunst, Unangenehmes zu vergessen so beschreibt: «Ein gewisses angenehmes Gefühl der Sicherheit, eine Art tiefer innerer Friede, so etwas wie glückselige Betäubtheit beruhigt die Nerven des menschlichen Tieres, wenn es in die ihm übertragene Aufgabe vertieft ist.»
Was für ein Segen, dass es so ist! Eine der berühmtesten weiblichen Forschungsreisenden, Osa Johnson, erzählte mir, wie sie ihre Sorgen und Ängste loswurde. Vielleicht haben Sie ihre Autobiographie gelesen. Sie heißt Ich heiratete das Abenteuer . Wenn je eine Frau mit dem Abenteuer verheiratet war, dann bestimmt sie. Martin Johnson wurde ihr Mann, als sie sechzehn Jahre war. Er hob sie von einem Gehweg in Chanute, Kansas, auf und setzte sie auf einem Dschungelpfad in Borneo wieder ab. Ein Vierteljahrhundert lang reiste das Paar aus Kansas durch die ganze Welt und drehte Filme über gefährdete Tierarten in Asien und Afrika. Einige Jahre später unternahmen sie eine Vortragsreise und führten ihre berühmten Filme vor. In Denver nahmen sie ein Flugzeug zur Küste. Es prallte gegen einen Berg. Martin Johnson kam dabei ums Leben. Die Ärzte erklärten Osa, dass sie ihr Bett nie wieder verlassen würde. Doch sie kannten Osa Johnson schlecht. Drei Monate später saß sie bereits im Rollstuhl und hielt Vorträge vor einem großen Publikum. In jenem Jahr zeigte sie ihre Filme über hundertmal –
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