Sorge dich nicht - lebe
waren alle wie erstarrt. In einer Tiefe von etwa dreihundert Metern angegriffen zu werden, ist gefährlich – weniger als etwa hundertfünfzig ist tödlich. Und jetzt hatte der Gegner uns sozusagen in seichtem Wasser erwischt – höchstens knietief, wenn man es aus der Perspektive der Sicherheit betrachtete. Fünfzehn Stunden lang bombardierten uns die Japaner. Wenn in etwa drei Metern Entfernung eine Wasserbombe explodiert, reißt der Druck ein Loch ins U-Boot. Unmengen dieser Wasserbomben explodierten etwa zwanzig Meter weit weg. Wir erhielten den Befehl, uns in unsere Kojen zu legen und Ruhe zu bewahren. Ich war vor Entsetzen wie erstarrt und konnte kaum atmen. ‹Das ist der Tod!›, sagte ich immer wieder zu mir. ‹Das ist der Tod! Das ist der Tod!› Da die Ventilatoren und das Kühlsystem ausgeschaltet waren, hatte die Luft im U-Boot mehr als vierzig Grad. Doch ich fror buchstäblich vor Angst und zog einen Pullover und eine pelzgefütterte Jacke an. Und immer noch zitterte ich vor Kälte. Mir klapperten die Zähne. Dann brach mir ein kalter, klebriger Schweiß aus. Der Angriff dauerte fünfzehn Stunden. Dann hörte er plötzlich auf. Offenbar war der Wasserbombenvorrat des japanischen Minenlegers zu Ende, und er dampfte ab. Jene fünfzehn Stunden erschienen mir wie fünfzehn Millionen Jahre. Mein ganzes Leben zog an meinem inneren Auge vorüber. Ich erinnerte mich an alle schlimmen Dinge, die ich getan, an all die Nichtigkeiten, über die ich mich aufgeregt hatte. Bevor ich zur Marine ging, war ich Bankangestellter gewesen. Ich hatte mir wegen der langen Arbeitszeit, des schlechten Gehalts, der geringen Aufstiegschancen Sorgen gemacht. Ich hatte darüber nachgegrübelt, warum ich kein Haus kaufen konnte, keinen neuen Wagen, keine hübschen Kleider für meine Frau. Wie ich meinen früheren Chef gehasst hatte, der nichts als nörgelte und schimpfte! Ich erinnerte mich, wie ich häufig abends nach Hause gekommen war und schlecht gelaunt und gereizt gewesen war und mich mit meiner Frau wegen Kleinigkeiten gestritten hatte. Ich hatte mir wegen einer Narbe auf meiner Stirn Sorgen gemacht, die von einem Autounfall stammte, bei dem ich eine tiefe Fleischwunde abbekommen hatte.
Wie wichtig mir alle diese Sorgen und Probleme früher erschienen waren! Und wie unsinnig sie einem erscheinen, wenn man jeden Augenblick durch eine Wasserbombe ins Jenseits geblasen werden kann. Damals versprach ich mir: Wenn ich je die Sonne, wenn ich je die Sterne wiedersah, würde ich mir nie wieder Sorgen machen. Nie wieder! Nie wieder!! Nie wieder!!! In jenen entsetzlichen fünfzehn Stunden im Bauch des U-Bootes lernte ich mehr über Lebenskunst als in allen vier Jahren zusammen, die ich an der Universität studiert hatte.»
Häufig verhalten wir uns bei großen Tragödien in unserem Leben ganz tapfer – und dann lassen wir uns von Kleinigkeiten, von irgendeinem Ärger, unterkriegen, die nicht schlimmer sind als Halsweh. Ein hübsches Beispiel dafür gibt es in Samuel Pepys’ Tagebuch . Pepys war dabei, als Sir Harry Vane in London geköpft wurde. Als Sir Harry auf der Tribüne stand, bat er nicht um sein Leben, sondern zeigte dem Henker nur einen schmerzhaften Furunkel am Hals, den er mit seinem Beil nicht treffen sollte.
Häufig verhalten wir uns bei großen Tragödien in unserem Leben ganz tapfer – und dann lassen wir uns von Kleinigkeiten, von irgendeinem Ärger, unterkriegen, die nicht schlimmer sind als Halsweh.
Das war auch eine Erfahrung, die Admiral Byrd in der schrecklichen Kälte und Dunkelheit der Polarnächte machte – dass seine Leute sich mehr über Kleinigkeiten erregten als über die großen Dinge. Ohne zu jammern ertrugen sie Gefahren, Strapazen und die Kälte, die häufig über dreißig Grad unter null betrug. «Aber», schreibt Admiral Byrd, «ich kenne Schlafkameraden, die nicht mehr miteinander sprachen, weil jeder vom anderen glaubte, er brauche für seine Sachen mehr Platz, als ihm zustünde. Und einer war dabei, der nur essen konnte, wenn er in der Messe einen Platz fand, von dem aus er den Langsamesser nicht sehen musste. Der Langsamesser kaute jeden Bissen feierlich achtundzwanzigmal, ehe er ihn hinunterschluckte.
In einer Polarstation können Kleinigkeiten wie diese sogar beherrschte Männer bis an den Rand des Wahnsinns treiben.»
Und Sie hätten auch noch hinzufügen können, Admiral Byrd, dass solche «Kleinigkeiten» Ehepartner bis an den Rand des Wahnsinns treiben können und an der Hälfte
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