Sorge dich nicht - lebe
denken. Ich sah nun, was für ein Idiot ich gewesen war. Als ich erkannte, wer ich in Wirklichkeit war, war ich tief bestürzt: Da versuchte ich die ganze Welt mit allem Drum und Dran zu verändern, und dabei brauchte ich nur die Brennweite meiner Kamera, die mein Verstand, mein Geist war, zu verändern.
Am nächsten Morgen packte ich und fuhr nach Hause. Eine Woche später arbeitete ich wieder. Vier Monate darauf heiratete ich das Mädchen, bei dem ich Angst gehabt hatte, ich könnte es verlieren. Heute haben wir fünf Kinder und sind eine glückliche Familie. Gott ist gut zu mir gewesen, in materieller wie in geistiger Hinsicht. Damals, vor meinem Zusammenbruch, war ich Nachtschichtleiter in einem kleinen Betrieb und hatte achtzehn Leute unter mir. Jetzt leite ich eine Kartonfabrik mit über vierhundertfünfzig Leuten. Mein Leben ist erfüllter und freundlicher. Ich glaube jetzt, dass ich die wahren Werte des Lebens richtig würdigen kann. Wenn sich Momente des Unbehagens einschleichen wollen – wie das in jedem Leben geschieht –, befehle ich mir, meine Kamera wieder richtig einzustellen, und alles ist okay.
Ich muss ehrlich sagen, ich bin froh, dass ich einen Nervenzusammenbruch hatte, weil ich dadurch am eigenen Leib spürte, welche Macht unsere Gedanken über unseren Geist und über unseren Körper haben können. Jetzt lasse ich meine Gedanken für mich arbeiten, nicht gegen mich. Jetzt begreife ich auch, dass mein Vater mit seiner Behauptung Recht hatte, nicht äußerliche Umstände hätten all mein Leid verursacht, sondern meine Sichtweise von ihnen. Sobald ich das eingesehen hatte, war ich gesund – und blieb gesund.» So weit die Erfahrungen eines meiner Studenten.
Ich lasse meine Gedanken für mich arbeiten, nicht gegen mich.
Ich bin tief überzeugt, dass unser innerer Friede und die Freude, die wir am Leben haben, nicht davon abhängen, wo wir sind oder was wir haben oder wer wir sind, sondern allein von unserer geistigen Einstellung. Die äußeren Umstände haben damit sehr wenig zu tun. Nehmen wir zum Beispiel den Fall des alten John Brown, der gehängt wurde, weil er das Arsenal von Harpers Ferry stürmte und die Sklaven zum Aufstand anstiften wollte. Er fuhr auf seinem Sarg sitzend zum Galgen. Der ihn begleitende Wächter war nervös und unsicher. Doch der alte John Brown blieb ruhig und gelassen, er sah auf zu den Blue-Ridge-Bergen von Virginia und rief: «Was für ein schönes Land! Ich hatte bis jetzt noch nie Gelegenheit, sie richtig zu sehen.»
Oder nehmen wir Robert Falcon Scott und seine Leute – die ersten Engländer, die den Südpol erreichten. Ihr Rückweg war vermutlich die grausamste Reise, die je von Menschen unternommen wurde. Sie hatten kein Essen mehr und auch keinen Treibstoff. Sie konnten auch nicht mehr weitermarschieren, weil ein Blizzard elf Tage und Nächte lang über den Rand der Erde herabheulte – der Wind war so heftig und scharf, dass er Risse ins Polareis schnitt. Scott und seine Männer wussten, dass sie sterben würden. Sie hatten genau für diesen Notfall eine gewisse Menge Opium mitgenommen. Eine ordentliche Dosis Opium, und sie würden sich hinlegen, herrlich träumen und nie wieder aufwachen. Aber sie nahmen die Droge nicht und starben «singend, fröhliche Lieder singend». Das wissen wir, weil bei den gefrorenen Leichen ein Abschiedsbrief lag, den ein Suchtrupp acht Monate später fand.
Ja, wenn wir positive Gedanken des Muts und der Ruhe denken, können wir sogar den Augenblick genießen, während wir auf dem eigenen Sarg sitzen und zum Galgen fahren oder während wir in unseren Zelten auf den Tod warten und fröhliche Lieder singen.
Der blinde Milton machte schon vor dreihundert Jahren die gleiche Entdeckung. Er schrieb:
Der Geist ruht in sich selbst, und in sich selbst kann er die Hölle zum Himmel machen, den Himmel zur Hölle.
Napoleon und Helen Keller, die Sozialreformerin, sind die besten Beispiele für Miltons Gedicht: Napoleon hatte alles, wonach sich die meisten Menschen sehnen – Ruhm, Macht, Reichtum –, doch als er auf Sankt Helena gefangen saß, sagte er: «In meinem Leben habe ich keine sechs Tage Glück gekannt.» Während Helen Keller – blind, taub und jahrelang stumm – erklärte: «Ich habe festgestellt, dass das Leben wunderschön ist.»
Falls mich mein fünfzigjähriges Leben überhaupt etwas gelehrt hat, dann das Folgende: «Nichts kann dir Frieden geben, nur du selbst.»
Damit wiederhole ich nur, was Emerson in seinem Essay
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