Sorry
wurde.
Sundance hat Butch aus dem Schlamm geholfen, er hat sein eigenes T-Shirt ausgezogen und damit den Dreck von Butchs Körper gewischt. Blut. Sperma. Erde. Der Regen half, während Butch wie betäubt alles mit sich geschehen ließ. Er stand reglos da, atmete, blinzelte und war anwesend und gleichzeitig weit entfernt. Sundance suchte die Sachen aus dem Schlamm zusammen, spülte sie in einer Pfütze sauber und half Butch beim Anziehen.
Auf dem Heimweg sprachen sie kein Wort miteinander, zwischen ihnen blieb ein Meter Abstand. Die Stadt ignorierte sie völlig und atmete und lärmte weiter. Da war das Prasseln des Regens auf dem Asphalt und wie er in die Pfützen einschlug, da war das Rauschen der vorbeifahrenden Autos und ihre blendenden Lichter. Nichts konnte diesen Rhythmus unterbrechen.
Als sie bei Butch ankamen, wartete Sundance, bis sein Freund durch die Tür verschwunden war, und lief dann weiter nach Hause. In derselben Nacht wurde er durch sein Walkie-talkie geweckt, das unter dem Bett lag und immer auf Empfang gestellt war.
– Ja?
Es knisterte in der Leitung, Sundance hörte Butchs Atem, als wäre er nicht vier Straßen weit entfernt, sondern direkt an seiner Seite.
– Sie sind hier, sagte Butch.
Sundance zögerte keinen Moment. Er zog sich an und schlich nach draußen. Er überquerte die Straße und nahm den kürzesten Weg durch die Gärten. Butch erwartete ihn. Er stand im ersten Stockwerk an seinem Zimmerfenster, reglos wie ein Geist hinter Glas. Sundance winkte ihm. Butch verschwand vom Fenster, und kurz darauf schwang die Terrassentür auf.
– Wo sind sie? flüsterte Sundance.
– Vor dem Haus.
– Bist du dir sicher?
– Sie haben gesagt, daß sie wiederkommen. Als Warnung. Damit ich den Mund halte.
Butchs Worte klangen wie eingeübt, als hätte er sie schon mehrmals heruntergebetet. Das Mantra eines Jungen, der das Böse verbannen will. Sundance fragte, woher sie denn wüßten, wo Butch wohne.
Er hätte lieber nicht fragen sollen.
– Sie wissen es! zischte Butch und packte Sundance am Handgelenk. Er zog ihn in die Küche und dort auf den Boden. Sie duckten sich hinter der Spüle und richteten sich vorsichtig auf, um durch das Fenster nach draußen zu schauen. Ein Wagen parkte auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Sundance fand, daß es jeder Wagen hätte sein können; er wollte es gerade sagen, als er im Wageninneren das Glühen einer Zigarettenspitze sah. Schatten. Zwei. Sundance hielt den Mund. Im Haus schlug die Uhr Mitternacht. Die Autotüren öffneten sich, die Frau und der Mann stiegen aus.
– Mitternacht, hauchte Butch. Sie haben ...
Sein Atem ging in hektischen Stößen.
– ... gesagt, sie kommen, ... um ... Wenn ich erzähle ... Sie ... Er schnappte nach Luft, er zog an Sundance’ Arm.
– ... haben gesagt ... Werden meine Eltern aufschlitzen und ich ... ich muß zusehen und ... und fragten, ob sie es mir beweisen ... Sagte, daß ich ihnen glaube ... Geschworen, wirklich! Weißt du, was ... was sie dann ... gesagt haben ...
Sundance sah wieder nach draußen. Der Mann und die Frau standen mitten auf der Straße und schauten zum Haus. Ihre Gesichter wirkten unscharf, als hätte jemand den Fokus nicht richtig eingestellt. Die Straße zu ihren Füßen glänzte noch naß vom Regen, der vor Stunden aufgehört hatte.
– ... sagten um Mitternacht, stammelte Butch weiter. Und jetzt ... Siehst du, jetzt sind sie da.
Er weinte. Sein Kopf berührte die Brust. Sundance biß sich auf die Unterlippe, um die eigenen Tränen zurückzuhalten.
– Wir rennen weg, sagte er schnell und zog Butch wieder auf den Küchenboden. Wir rennen einfach weg, hörst du? Dann suchen sie nach uns und lassen deine Eltern in Ruhe, weil sie uns nicht finden können.
Butch sah Sundance überrascht an. Die Idee brachte sein Gesicht zum Leuchten. Hoffnung. Wenn du daran zurückdenkst, mußt du über die Naivität der beiden Jungen lächeln. Sie dachten, das Leben wäre fair. Sie glaubten an die Balance und daß die Guten am Ende gewinnen und die Bösen gnadenlos und schamerfüllt verlieren.
Dir ist bewußt, daß das Leben alles andere als im Gleichgewicht ist. Es ist das reinste Chaos. Hinter jeder Tür verbirgt sich das Dunkle. Hinter jedem Fenster leben Schatten.
– Wegrennen? fragte Butch.
– Wegrennen, sagte Sundance und meinte es so.
Sie lauschten in die Stille. Ein Automotor startete. Butch und Sundance richteten sich wieder auf und sahen, daß der Wagen von der gegenüberliegenden
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